Schriftnorm
Unter einer Schriftnorm versteht man in der Typografie Regeln, Leitlinien oder Merkmale für die Typometrie (Letternarchitektur) einer reproduzierbare Bildschirm- und/oder Druckschrift, die durch nationale oder internationale Normungsunternehmen und -organisationen, beispielsweise durch das Deutsche Institut für Normung (DIN), die Schweizerische Normen-Vereinigung (SNV), das Austrian Standards Institute (ASI) oder die International Organization for Standardization (ISO), standardisiert wurden.
Eine Schriftnorm ist ein unter der Leitung eines Arbeitsausschusses erarbeiteter freiwilliger Standard, in dem die Typometrie der Buchstaben einer Schrift vereinheitlicht wurde. Schriftnormen entstehen auf Anregung und durch die Initiative interessierter Kreise, beispielsweise Font Foundries (z.B. Monotype® oder Adobe®) oder sonstige Wirtschaftsunternehmen (z.B. IT-Unternehmen wie Apple®, Google® oder Microsoft®), wobei ein Konsens unter allen Beteiligten hergestellt wird.
Grundsätzlich handelt es sich bei genormte Schriften um »private Regelwerke mit Empfehlungscharakter«, die wirtschaftlichen und/oder standespolitischen Interessen dienen und die somit als reine Empfehlung zu verstehen sind. 1) Schriftnormen spielen deshalb in der professionellen Typografie nahezu keine Rolle. 2)
Schriftnormen werden von nationalen, europäischen und internationalen Normungsorganisationen erarbeitet. In Deutschland sind überwiegend folgende Schriftnormen gebräuchlich:
- DIN-Schriften, dessen Typometrien durch das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) genormt wurden. 3)
- ISO-Schriften, dessen Typometrien durch die International Organization for Standardization (ISO) genormt wurden. 4)
Genormte Schriften können bei dezentralen Schriftsatzarbeiten sinnvoll sein, die einem nationalen, europäischen oder internationalen Vereinheitlichungsstandard genügen müssen, 5) beispielsweise für einheitliche Gravuren und Beschriftungen technischer und industrieller Erzeugnisse (z.B. Autobahnschilder, Ortsschilder, PC-Tastaturen), technische Dokumentationen, optische Interfaces (z.B. Benutzeroberflächen) oder die Kontierung von Scheckformularen oder ID-Cards (z.B. Reisepässen).
DIN 1451
Das prominenteste Beispiel einer Schriftnorm in Deutschland ist die DIN 1451, eine serifenlose Schriftfamilie, die in der gleichnamigen Norm 6) definiert ist. Sie wurde 1931 als sogenannte Vornorm und 1936 in nahezu unveränderter Form als Norm veröffentlicht. Sie ist bis heute die Standardschrift bundesdeutscher Verkehrsschilder. Ursprünglich definiert waren die Schnitte Engschrift, Mittelschrift und Breitschrift – letztere wurde jedoch 1980 zurückgezogen.

Als Vorläufer der Engschrift gelten Schriftmusterzeichnungen der preußischen Eisenbahn (später Reichsbahn). Für die Erarbeitung der Normblätter der DIN 1451 zeichnete Ludwig Goller als Obmann verantwortlich. 1980 wurden im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen die Engschrift und Mittelschrift der DIN 1451 in Hinblick auf ihrer Verwendung als Verkehrsschriften von Adolf Gropp überarbeitet. Heute gibt es viele Varianten der DIN 1451, u.a. die »DIN Next« von Linotype®, die allerdings von der Formgebung der DIN 1451 elegant abweicht und über mehr Schriftschnitte verfügt.
Normschriften gibt es in unterschiedlichen Schrifttechnologien, beispielsweise als OpenType-Standard, sowohl kostenpflichtig als auch kostenfrei bei unterschiedlichen Font Foundries.
Vertreter genormter Schriften
| Norm | Schriftbezeichnung | |
|---|---|---|
| ANSI INCITS 17-1981 DIN 66008 ISO 1073-1 | OCR-A und OCR-A Alternate | |
| DIN 1451 | Serifenlose Engschrift Engschrift Alternative Mittelschrift Mittelschrift Alternative |
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| DIN 1451-2 | Serifenlose Verkehrsschrift | |
| DIN 1451-3 | Akzidenz-Grotesk Akzidenz-Grotesk-Buch Helvetica Edel-Grotesk |
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| DIN 1451-4 | Serifenlose Schablonenschrift für Gravuren und andere Verfahren | |
| DIN 3098 EN 3098 ISO 3098 | Normschrift für Technische Produktdokumentationen | |
| DIN 30640 | Neuzeit Grotesk Light Neuzeit Grotesk Bold Condensed |
|
| DIN 66009 ISO 1073-2 | OCR-B und OCR-B Alternate | |
| DIN 66225 | OCR-H | |
| ISO 8859 | HTML- und ASCII-Zeichensätze | |
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Quelle: BGH Urteil vom 14. Juni 2007, Az. VII ZR 45/06, NJW 2007, 2983, RdNr. 37 m. w. Nachw.; BGH Urteil vom 24. Mai 2013, Az. V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 (2272 f.). |
|---|---|
| ↑2 | Anmerkung: Normen im Segment der Typografie, z.B. in der Schriftklassifikation oder bei der Lesbarkeit von Schriften, hinken dem Stand der Technik, den Lese- und Betrachtungsgewohnheiten sowie dem typografischen Workflow um Jahrzehnte hinterher. Sie bilden den kulturellen und technologischen Status quo nicht ab und sind somit mehr als fragwürdig. |
| ↑3 | Anmerkung: Das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) ist eine deutsche Normungsorganisation mit Sitz in Berlin. Weiterführende Informationen online verfügbar unter www.din.de (24.6.2019). |
| ↑4 | Anmerkung: Die ISO International Organization for Standardization ist eine Internationale Standardisierungsorganisation mit Sitz in Vernier (Genf). Weiterführende Informationen online verfügbar unter www.iso.org (24.6.2019). |
| ↑5 | Tipp: Da es unterschiedliche Normen und Zertifikate gibt, sollte unbedingt vor Beginn eines Gestaltungsauftrags die exakte Zertifizierung mit dem Auftraggeber evaluiert werden. |
| ↑6 | Anmerkung: Konkret formuliert in der »DIN 1451 Teil 2, Serifenlose Linear-Antiqua, Verkehrsschrift«. |