Skip to main content

Schriftremake

11. Februar 2025

In der Typografie bezeichnet ein »Schriftremake« die Nachbildung einer bereits existierenden, aber nicht mehr am Markt verfügbaren Druck- oder Bildschirmschrift (Screen Font), die sich mehr oder weniger streng am Original orientiert, jedoch nicht vom ursprünglichen Schriftgestalter:in stammt. Kurzform: »Remake«.

Im gewerbespezifischen Sprachgebrauch deutschsprachiger Schriftsetzer, Schriftgießer und Drucker aus der Epoche des materiellen Schriftsatzes mit physischen Drucktypen aus Metall (z.B. einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung) wurde ein vergleichbarer Vorgang als »Nachschnitt« bezeichnet. In der typografischen Fachliteratur wird mitunter auch der Begriff »Neuinterpretation« verwendet.

Ein Schriftremake kann von einer beliebigen Person oder einer künstlichen Intelligenz (KI) stammen. Die erneute Gestaltung einer bereits existierenden Schrift durch den ursprünglichen Schriftgestalter:in (Type Designer) wird hingegen als »Schriftreplik« (Kurzform: »Replik«) bezeichnet.

Vergleich von vier Schriftremakes einer Garamond-Schrift, jeweils im normalen Schriftschnitt: 1. Zeile: Amsterdamer Garamond – Ein Schriftremake der Berthold AG aus dem Jahr 1992, basierend auf einem früheren Remake von Morris Fuller Benton (1872–1948) für die American Type Founders (ATF) aus dem Jahr 1917. 2. Zeile: Adobe Garamond – Ein Schriftremake von Robert Slimbach (*1956) aus dem Jahr 1989 für Adobe, das auf verschiedenen historischen Garamond-Interpretationen basiert, die auf Abbildungen aus dem 16. Jahrhundert beruhen. 3. Zeile: Simoncini Garamond – Ein Schriftremake von Francesco Simoncini (1912–1975) und Wilhelm Bilz (Lebensdaten unbekannt) aus dem Jahr 1961 für die Schriftgießerei Ludwig & Mayer, möglicherweise inspiriert von einer französischen Renaissance-Antiqua von Jean Jannon (1580–1658). 4. Zeile: Sabon – Ein Schriftremake historischer Garamond-Schriften, gestaltet von Jan Tschichold (1902–1974) für die Schriftgießerei D. Stempel AG.
Vergleich von vier Schriftremakes einer Garamond-Schrift, jeweils im normalen Schriftschnitt: 1. Zeile: Amsterdamer Garamond – Ein Schriftremake der Berthold AG aus dem Jahr 1992, basierend auf einem früheren Remake von Morris Fuller Benton (1872–1948) für die American Type Founders (ATF) aus dem Jahr 1917. 2. Zeile: Adobe Garamond – Ein Schriftremake von Robert Slimbach (*1956) aus dem Jahr 1989 für Adobe, das auf verschiedenen historischen Garamond-Interpretationen basiert, die auf Abbildungen aus dem 16. Jahrhundert beruhen. 3. Zeile: Simoncini Garamond – Ein Schriftremake von Francesco Simoncini (1912–1975) und Wilhelm Bilz (?) aus dem Jahr 1961 für die Schriftgießerei Ludwig & Mayer, möglicherweise inspiriert von einer französischen Renaissance-Antiqua von Jean Jannon (1580–1658). 4. Zeile: Sabon – Ein Schriftremake historischer Garamond-Schriften, gestaltet von Jan Tschichold (1902–1974) für die Schriftgießerei D. Stempel AG.

Wenn eine Schrift nicht vom ursprünglichen Type Designer nachgebildet oder interpretiert, sondern von einer anderen Person oder einer KI neu gestaltet wird, spricht man – neben dem Begriff »Schriftremake« je nach Kontext – auch von einem »Schriftklon« (1:1-Kopie einer Schrift), einer »Schriftformvariante« (abweichende Interpretation einer bereits existierenden Schrift), einer »Schriftmischform« (hybride Schriftform, meist aus unterschiedlichen Schriftuntergruppen und/oder Schriftnebengruppen) oder von »Schriftgenerierung« (z.B. am Computer rechnerisch generierte Schriftschnitte oder parametrische Schriften wie Variable Fonts). Allerdings sind die Unterschiede für Laien meist kaum erkennbar, und selbst für typografisches Fachpersonal besteht diesbezüglich ein hoher Interpretationsspielraum.

Etymologie

Etymologisch stammt das Wort »Schrift« aus dem ahd. »scrift«, was so viel wie »das Schreiben« oder »die Schrift« bedeutet. Es ist verwandt mit dem mhd. »scripte« und hat letztlich seine Wurzeln im lat. «scriptum«, was »das Geschriebene« oder »die Schrift« bedeutet (von »scribere» für »schreiben«).

Der Begriff »Remake« ist eine Rückbildung aus dem eng. Verb »to remake«, das »wiederherstellen« oder »neu gestalten« bedeutet. Es setzt sich zusammen aus dem Präfix »re-« (wieder, zurück) und dem Verb »make« (machen, erstellen).

Schriftremakes im historischen Kontext

Da Schrift seit Jahrtausenden und Druckschriften seit Jahrhunderten zum kulturellen Erbe der Menschheit zählen (siehe Schriftgeschichte), basieren viele der heute verwendeten Schriften streng genommen auf Schriftremakes, Schriftklonen, Formvarianten, Mischformen und Schriftgenerierungen, die sich an jahrhundertealter Typometrie orientieren.

Die formale Ähnlichkeit in der Letternarchitektur stellt dabei kein Mangel dar, sondern ist eine inhärente Eigenschaft der Schriftgestaltung (Type Design). Aufgrund der geringen Schöpfungshöhe – dem Mindestmaß an Individualität und Kreativität, das für den urheberrechtlichen Schutz erforderlich ist – sind insbesondere Textschriften (Werksatzschriften) im Sinne des Urheberrechts weltweit in der Regel nicht schutzfähig.

Seit den 1990er Jahren wurde die Schriftgeschichte weitgehend digitalisiert und auf vielfältige Weise bearbeitet. Anbieter von Computer Fonts führen heute häufig zigtausende verschiedene Schriftremakes, Schriftklone, Formvarianten, Mischformen und Schriftgenerierungen von Schriften zahlreicher Schriftgestalter:innen aus allen Jahrhunderten. Dazu gehören auch Nachbildungen von Schriften längst erloschener Schriftgießereien, wie der Hermann Berthold GmbH oder des VEB Typoart Dresden.

© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de

Save the Date
Seminar »Typografie im Grafik- und Kommunikationsdesign«
Berlin
Berlin-Mitte, Friedrichstraße
21. November 2025

Hamburg
Hamburg-Altstadt, Ballindamm
24. November 2025

Düsseldorf
Düsseldorf-Stadtmitte, Königsallee
25. November 2025

Frankfurt
Frankfurt-Westend, Schumannstraße
26. November 2025

Stuttgart
Stuttgart-Mitte, Königstraße
27. November 2025

München
München-Altstadt, Karlsplatz
28. November 2025

Wien
Wien-Favoriten, Hauptbahnhof
1. Dezember 2025