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Elefantenrüssel

16. Oktober 2024

»Elefantenrüssel« ist ein typografischer Fachausdruck aus dem gewerbespezifischen Sprachschatz dspr. Schriftsetzer, Schriftgießer und Drucker aus der Periode des materiellen Schriftsatzes mit physischen Drucktypen aus Metall (z.B. aus einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung), Holz (z.B. aus Birnenholz) oder Kunststoff (z.B. aus Kunstharz). Der Elefantenrüssel bezieht sich auf den verzierten Aufschwung an einer Majuskel einer Fraktur– bzw. Gebrochenen Schrift.

Ein Elefantenrüssel ist ein verzierter Aufschwung an einer Frakturmajuskel. Großbuchstabe B gesetzt aus der Wittenberger Fraktur von Linotype. Infografik: www.typolexikon.de
Ein Elefantenrüssel ist ein verzierter Aufschwung an einer Frakturmajuskel. Großbuchstabe B gesetzt aus der Wittenberger Fraktur von Linotype.

Der oft doppelt konturierte und ornamental wirkende Schnörkel gehört zu den Formcharakteristika einer Frakturschrift. Historisch betrachtet kann der Elefantenrüssel bis zu den Anfängen der Kalligrafie zurückverfolgt werden, wo ähnliche Ornamente bereits in Manuskripten des Mittelalters verwendet wurden. Diese verzierenden Elemente waren in der Kalligrafie weit verbreitet und fanden ihren Weg in die Typografie, als Drucktechniken und Schriftarten im 15. und 16. Jahrhundert populär wurden.

Die Bezeichnung »Elefantenrüssel« ist nicht genau datierbar, jedoch wird sie in typografischen Fachkreisen seit dem 19. Jahrhundert verwendet. Der Begriff spiegelt die Form des Schnörkels wider, die an den Rüssel eines Elefanten erinnert. Diese Terminologie wurde insbesondere im deutschsprachigen Raum gängig, wo Frakturschriften traditionell eine zentrale Rolle in der typografischen Gestaltung einnahmen.

Synonyme für den Elefantenrüssel sind im Deutschen unter anderem »Schwung« oder »Schnörkel«. In der englischen Sprache wird er häufig als »swash« oder »flourish« bezeichnet, was ebenfalls auf seine dekorativen und ornamentalen Eigenschaften hinweist. Diese Begriffe finden sich in der Literatur zur Schriftgestaltung und Kalligrafie, die sich mit der Verwendung von verzierten Elementen in der Typografie befassen.

Der Elefantenrüssel fungiert nicht nur als ästhetisches Element, sondern trägt auch zur Lesbarkeit und Identität der Schriftart bei. In typografischen Analysen wird er häufig als Beispiel für die Verzierung und den stilistischen Reichtum von Schriftarten der Frakturfamilie angeführt. 1)

Bis ins 20. Jahrhundert gehörte es zum Standardrepertoire eines Schriftgestalters, Frakturmajuskeln auch für Werksatzschriften kunstvoll mit Elefantenrüsseln zu verzieren. Diese Praxis zeigt nicht nur das handwerkliche Können der damaligen Schriftgestalter, sondern reflektiert auch die kulturellen und ästhetischen Normen ihrer Zeit.

In der typografischen Forschung wird der Elefantenrüssel auch im Kontext der Entwicklung von Schriftgestaltungen und deren Einfluss auf die visuelle Kommunikation betrachtet. Er ist Teil einer breiteren Tradition der Schriftverzierung, die in verschiedenen Kulturen und Epochen Anwendung fand. So beispielsweise in der Renaissance, wo Verzierungselemente in Humanistenschriften weit verbreitet waren, oder in der Barockzeit, die für ihre opulente Schriftgestaltung bekannt war. 2)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Elefantenrüssel nicht nur ein typografisches Ornament ist, sondern auch ein Indikator für die Entwicklung der typografischen Gestaltung und deren kulturellen Bedeutung über die Jahrhunderte hinweg darstellt.

© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de

Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
1 Literaturempfehlung: Kapr, Albert: Fraktur. Form und Geschichte der gebrochenen Schriften, Verlag Hermann Schmidt, Mainz, 1993. ISBN 3-87439-260-0.
2 Literaturempfehlung: Schalansky, Judith: Fraktur mon Amour, Verlag Hermann Schmidt, Mainz, 2006. ISBN 978-3-87439-748-3.
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