Epigraphik
Epigraphik ist eine Disziplin der Historischen Hilfswissenschaften, die sich der eingehenden Erforschung von in Stein gemeißelten Lapidarschriften und verschiedenen Formen von Inschriften widmet, die einen repräsentativen Charakter haben. Dies umfasst nicht nur prominente Inschriften in Stein, wie beispielsweise die »Capitalis Monumentalis«, sondern auch Inschriften auf Grabsteinen und anderen Materialien, so auch auf/in Metall oder Holz.
Der Begriff »Epigraphik« rührt etymologisch von dem altgriechischen Wort »ἐπιγραφή«, was von »epigraphē« für »Inschrift« oder »Aufschrift« abgeleitet ist. Inschriftenkunde; Allograph »Epigrafik«.

Die Bandbreite der epigraphischen Forschung erstreckt sich über diverse Materialien, darunter Holz, Glas, Metall und Leder. Inschriften, sei es auf monumentalen Bauten oder alltäglichen Gegenständen, bieten wertvolle Einblicke in vergangene Kulturen, Bräuche und historische Ereignisse.
Dem deutschen Philologen und Alterumswissenschaftler August Boeckh (1785–1867) 1) gebührt hierbei eine entscheidende Rolle in der Etablierung der modernen Epigraphik als eigenständige Hilfswissenschaft. 2) Am 20. April 1815 gründete er die Berliner Akademie der Wissenschaften an der Berliner Universität. Boeckh trug maßgeblich dazu bei, die Methoden und Ansätze der Epigraphik zu formalisieren und ihre Bedeutung als Schlüssel zur Entschlüsselung der Vergangenheit zu unterstreichen.
Die Epigraphik reicht jedoch über die rein linguistische und historische Analyse von Inschriften hinaus. Sie untersucht auch die materielle Beschaffenheit und künstlerische Gestaltung von Inschriften. Diese multidisziplinäre Herangehensweise ermöglicht es Epigraphiker:innen, nicht nur den Inhalt, sondern auch den Kontext und die Intentionen der Schöpfer der Inschriften zu verstehen.
In der antiken Welt dienten Inschriften nicht nur administrativen Zwecken, sondern auch als Mittel der Selbstdarstellung von Städten, Herrschern und Institutionen. Die Vielfalt der Schriftsysteme und Sprachen, die in antiken Inschriften verwendet wurden, stellt eine zusätzliche Herausforderung für Epigraphiker:innen dar. Durch die Anwendung von linguistischen Methoden und historischem Wissen gelingt es ihnen jedoch, selbst schwer entzifferbare Inschriften zu interpretieren und somit wertvolle Informationen über vergangene Gesellschaften zu gewinnen.
Die technologischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte haben die Arbeitsweise der Epigraphiker:innen erheblich beeinflusst. Hochauflösende Fotografie, 3D-Scans und andere bildgebende Technologien ermöglichen eine detaillierte Untersuchung von Inschriften, ohne die physische Integrität der Artefakte zu gefährden. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für die Forschung und trägt zur Bewahrung von beschädigten oder gefährdeten Inschriften bei.
Die moderne Epigraphik bleibt eine dynamische Disziplin, die durch kontinuierliche Forschung, technologische Innovationen und interdisziplinäre Zusammenarbeit weiterhin dazu beiträgt, das kulturelle Erbe der Menschheit zu entschlüsseln. Die Vielfalt der Inschriften auf der ganzen Welt bietet ständig neue Herausforderungen und spannende Entdeckungen für Epigraphiker:innen, die dazu beitragen, die Lücken in unserem Verständnis der Geschichte zu schließen. 3) 4)
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Anmerkung: Auch als August Böckh geschrieben. Böckh war einer der ersten Alterumswissenschaftler, der die Aufassung vertrat, dass die Philologie in der umfassenden Kenntnis und Reproduktion des Altertums in seiner Gesamtheit bestehen soll (Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsbibliothek, 27.2.2024). Im Jahr 1815 initiierte er das »Corpus Inscriptionum Graecarum«, das zuerst griechische Lapidarschriften u.a. geographisch zuordnete. |
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| ↑2 | Historischen Hilfswissenschaften sind eine Gruppe von wissenschaftlichen Disziplinen, die speziell darauf ausgerichtet sind, Historikern und Forschern bei der Untersuchung und Interpretation historischer Quellen zu helfen. Diese Hilfswissenschaften bieten Methoden, Techniken und Kenntnisse, die dazu beitragen, historische Materialien effektiv zu analysieren und zu verstehen. Zu den wichtigsten Historischen Hilfswissenschaften gehören neben der Epigraphik die Paläographie, die Diplomatik, die Chronologie, Heraldik und Genealogie. |
| ↑3 | Literaturempfehlung: Cooley, Alison E.: The Cambridge Manual of Latin Epigraphy, Cambridge University Press (13. September 2012), ISBN-10: 052154954X, ISBN-13: 978-0521549547. |
| ↑4 | Literaturempfehlung: Armbruster, Jennifer, Joachim Fugmann und Christian Rösch: Lateinische Inschriften, Entdecken – Erkunden – Entziffern, Vandenhoeck & Ruprecht (2023/24), ISBN: 978-3-525-70001-3. |