Alphabet
Ein »Alphabet« ist die geordnete Folge von Buchstaben oder Zeichen einer Sprache. Etymologisch wurde der Begriff im 13. Jahrhundert aus dem lateinischen »alphabetum« entlehnt, das wiederum aus dem altgriechischen »alphábētos« (ἀλφάβητος) stammt – gebildet aus »alpha« und »beta«, den ersten beiden Buchstaben des griechischen Alphabets.
Die deutsche Schrift basiert auf dem lateinischen Alphabet (siehe Schriftgeschichte), das sich aus der Linie des phönizischen Alphabets entwickelt hat. Das deutsche Alphabet besteht aus je 26 Majuskeln und Minuskeln sowie Buchstabenkombinationen mit Umlauten und Akzentzeichen.
Ursprung des Alphabets
Als eine der bedeutendsten semitischen Kultursprachen des Altertums wurde das Phönizische im Frühstadium seiner Schriftlichkeit mithilfe verschiedener Schriftsysteme verschriftlicht: mit der noch nicht vollständig entschlüsselten Byblos-Silbenschrift, dem ugaritischen Keilschriftalphabet und schließlich dem phönizischen Alphabet mit 22 Konsonantenzeichen. Von dieser »Phoinikeia grammata« leitet sich auch das lateinische Alphabet ab. 1) 2)
Eine um 1050 v.Chr. entstandene Inschrift auf dem Sarkophag des Königs Ahiram aus Byblos zeigt die klassische Form dieser Schrift, die sich durch die intensiven Handelsbeziehungen der Phönizier und das interkulturelle Netz, das sie gemeinsam mit den Karthagern aufgebaut hatten, rasch über den gesamten Mittelmeerraum ausbreitete.
Auf Kreta wiederum, wo sich seit dem 10. Jahrhundert v.Chr. unter Eteokretern, mykenischen Griechen und dorischen Einwanderern eine griechisch-minoische Symbiose entfaltet hatte, erfolgte im Laufe des 9. Jahrhunderts v.Chr. die älteste europäische Adaption des phönizischen, konsonantischen Alphabets. Seine ursprünglich linksläufige Schriftrichtung wurde in eine von links nach rechts verlaufende Schreibweise geändert. Außerdem führten die Griechen als erste Kulturzeichen für Vokale ein – eine tiefgreifende Innovation in der Geschichte der Schrift. So wurde das altsemitische Aleph mit dem griechischen Alpha, He mit Epsilon, Heta mit Eta, Jodh mit Iota und Ajin mit Omikron besetzt. Obwohl die mykenische Linear-B-Schrift bereits rund 500 Jahre zuvor in Gebrauch war, ist eine direkte Übernahme einzelner Zeichen daraus in das Alphabet nicht nachweisbar. Zu den Innovationen dieses eteokretisch-griechischen Alphabets gehörten auch die Zusatzzeichen Phi, Khi und Psi, die vermutlich aus dem altminoischen, südosteuropäisch beeinflussten Zeicheninventar übernommen wurden.
Diese im multikulturellen Milieu auf Kreta für das Griechische perfektionierte semitisch-phönizische Alphabetschrift gelangte um 600 v.Chr. über die bereits hochkultivierten Etrusker (»das Volk der Bücher«) zu den Latinern, ins heutige Mittel– und Nordwestitalien, aus deren Schriftsystem sich schließlich das lateinische Alphabet entwickelte. 3)
Römisches Alphabet
Das älteste Zeugnis für das Alphabet der Römer ist eine »Lapis Niger« genannte Tuffstein-Stele auf dem Forum Romanum in Rom, die aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert stammt; ihre lateinischsprachige Inschrift ergibt, mit Ausnahme des Buchstabens B, ein vollständiges Alphabet, das formal noch genau dem westgriechischen Typus der schon von Herodot als »grammata phoinikeia« bezeichneten altsemitischen Urbuchstaben entspricht.

In der Folge entstand daraus das klassische römische Alphabet mit seinen 21 modifizierten, nunmehr lateinischen Buchstaben, das im ersten vorchristlichen Jahrhundert durch die griechischen Originalzeichen Ypsilon und Zeta auf 23 Buchstaben vervollständigt wurde. In der Paläografie wird die römische Schrift generell als »Scriptura capitalis« bezeichnet. 4)

Die Epigraphik nennt diese lateinische Schrift »Capitalis monumentalis« – eine Schrift, die nur Majuskeln aufweist, deren Geometrie sich deutlich an Quadrat und Kreis orientiert und die mit einem Flachpinsel vorgeschrieben wurde. Die Capitalis monumentalis ist das Vorbild der Antiqua, die heute noch als dominierende Gebrauchsschrift im westlichen Kulturkreis gilt.
Lateinisches Alphabet
Das lateinische Alphabet entwickelte sich aus dem römischen Alphabet und wurde im Laufe seiner Geschichte durch zahlreiche Erweiterungen ergänzt – darunter Umlaute, diakritische Zeichen sowie zusätzliche Buchstaben wie J, U und W, die in der Antike noch nicht existierten.
Als Schriftsystem ist es heute Grundlage zahlreicher Sprachen, unter anderem des Deutschen, Englischen, Französischen, Italienischen, Spanischen und vieler weiterer Sprachen Europas, Amerikas, Afrikas und Südostasiens.
Das lateinische Alphabet gilt als das erfolgreichste Alphabet der bisher bekannten Schriftgeschichte – mit einer kulturellen und geografischen Verbreitung, die von keiner anderen Schriftform erreicht wurde.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Literaturempfehlung: Haarmann, Harald: Geschichte der Schrift, Verlag C. H. Beck, München 2002, ISBN 3406479987. |
|---|---|
| ↑2 | Literaturempfehlung: Faulmann, Carl: Schriftzeichen und Alphabete aller Zeiten und Völker, Reprint im Augustus Verlag, ISBN 3-8043-0142-8. |
| ↑3 | Literaturempfehlung: Seipel, Wilfried (Hrsg.): Der Turmbau zu Babel. Ursprung und Vielfalt von Sprache und Schrift, Band 2, 3a und 3b, Ausstellungskatalog des Kunsthistorischen Museums Wien, 2003, ISBN 3-85497-055-2. |
| ↑4 | Literaturempfehlung: Degering, Hermann: Die Schrift. Atlas der Schriftformen des Abendlandes vom Altertum bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, 1952. |