Schriftgattung, Hauptschriftgruppe bzw. Schriftart. Typografischer Terminus für rundbogige Druckschriften oder Screen Fonts römischen Ursprungs mit Serifen (Serif), mit betonten Serifen (Slab Serif) und ohne Serifen (Sans Serif).
Abgesehen von Gebrochenen Schriften und Nichtrömischen Schriften, gehören gemäß der Paläografie und Paläotypie 1) 2) alle Druckschriftarten römischen Ursprungs (siehe auch Schriftgeschichte) zu der Schriftgattung der Antiqua (Klassifikationsmerkmale siehe jeweilige Schriftgruppe).

In der typografischen Schriftklassifikation gliedert sich die Taxonomie in Schriftgattung, Hauptgruppen und Untergruppen, bei Bedarf noch in Nebengruppen und Unterarten (im nachfolgenden Beispiel anhand der Renaissance-Antiqua demonstriert). Im deutschen Sprachraum wird der singuläre Begriff »Antiqua« sowohl für die »Schriftgattung« als auch für eine »Hauptschriftgruppe« verwendet:
- Antiqua
- Antiqua (Serif)
- Renaissance-Antiqua
- Venezianische Renaissance-Antiqua
- Sublacensische Antiqua
- Litterae Venetae
- Französische Renaissance-Antiqua
- Aldinische Antiqua
- Garamondschriften
- Venezianische Renaissance-Antiqua
- Vorklassizistische Antiqua
- Klassizistische Antiqua
- Renaissance-Antiqua
- Egyptienne (Slab Serif)
- Clarendon
- Egyptienne
- Egyptiennevarianten (Hybride)
- Italienne
- Schreibmaschine
- Zeitungsegyptienne
- Grotesk (Sans Serif)
- Ältere Grotesk
- Amerikanische Grotesk
- Konstruierte Grotek
- Jüngere Grotesk
- Antiqua (Serif)
Der heute im deutschsprachigen Raum gebräuchliche Terminus »Antiqua« steht ausschließlich für eine Druckschrift oder Bildschirmschrift, nicht für eine kalligraphische Variante. Die Antiqua ist heute die führende Verkehrsschrift der westlichen Welt. In Deutschland und Österreich ist sie seit 1941 im Auftrag von Reichskanzler Adolf Hitler (1889–1945) durch ein Schrift-Verdikt von Reichsminister Martin Bormann (1900–1945) Amts- und Verkehrsschrift (siehe Fraktur).
Etymologie
Der typografische Terminus »Antiqua« ist eine verkürzte, allographische (Allograph) Ableitung von »Littera antiqua«. Semantisch rührt die Bezeichnung aus dem Sprachgebrauch humanistischer Gelehrter der italienischen Frührenaissance des 15. Jahrhunderts und leitet sich etymologisch von der lateinischen weiblichen Form zu »antiquus« für »vorig, alt«, einer Nebenform von »anticus« für »der vordere« vom lateinischen »ante« für »vor« ab.
Im Sinne der Renaissance ist also mit »Antiqua« die neue Schrift mit ihren »alten Buchstabenformen« gemeint, die von den Humanisten, im Gegensatz zur »Littera moderna« (Begrifflichkeit aus dem 13. Jahrhundert für gotische Schriftformen), als klar und leichter lesbar empfunden wurde.
Beispielsweise beschrieb Enea Silvio Piccolomini (1405–1464), der spätere Papst Pius II., im Jahre 1450 in seinem »Tractatus de liberorum educatione« die »Littera antiqua« als eine »Form der antiken Buchstaben, die leichter zu lesen, klarer und den griechischen Buchstaben näher sind, von denen sie ihren Ursprung genommen haben«; und der Architekt und Humanist Giorgio Vasari (1511–1574) beklagte das »Gotische« als ein »(…) Mangel an Funktionalität und der schnörkelhaften und unnützen Geziertheiten«. Die humanistische Schriftdoktrin »Littera antiqua« richtete sich also gegen die von den Humanisten als »barbarisch, mühsam und häßlich« empfundene gotische Schriftkultur, die »Littera moderna«.
Der Begriff »Antiqua« bürgerte sich als doppeldeutiger Terminus primär im deutschsprachigen Raum 3) ein und wird sowohl für die »Schriftgattung Antiqua« als auch für die »Hauptschriftgruppe Antiqua« bzw. »Schriftart Antiqua« – also eine Serifenschrift römischen Ursprungs – verwendet. Er bezeichnet ausschließlich eine typografische Schrifttype mit – in der Regel – einem Majuskel– und einem Minuskelalphabet.
Historie
Das Vorbild der Antiqua, die »Littera antiqua«, die Hand- und spätere Druckschrift der Humanisten, entstand in der Frührenaissance in Italien aus der »Humanistica formata« (Humanistische Minuskel), einer Minuskelschrift (skriptographisches Kleinbuchstabenalphabet) u.a. von Coluccio Salutati (1331–1406) und Poggio Bracciolini (1380–1459) und aus der römischen Majuskelschrift (skriptographisches Großbuchstabenalphabet), der Capitalis quadrata (Römische Quadratschrift).

Mit frühen Archetypen einer Antiqua im Minuskelalphabet experimentierten bereits um 1465 die deutschen Prototypografen Arnold Pannartz (o.A.–um 1476) und Conrad Sweynheym (o.A.–um 1474/1477) im Benediktinerkloster von Subiaco in der Provinz Rom. In ihrer eigenen Offizin in Rom druckten und Pannartz und Sweynheym 1467 die erste Ausgabe der berühmten »Epistulae familiares« von Marcus Tullius Cicero (106–43 v.Chr.), einem römischen Dichter, Redner und Staatsmann, in ihrer zur Reinform weiterentwickelten Sublacensischen Antiqua-Type. Sie legten hier auch den Grundstein des Cicero-Schriftschnitts. Pannartz und Sweynheym verwendeten Majuskeln nur als in sich geschlossene Auszeichnung. Die Minuskel-Zeilen waren in sich geschlossen, einzelne Großbuchstaben, sogenannte »Versalien«, hoben nur den Versbeginn hervor und hatten noch keine orthographische Funktion; zu dieser Zeit wurden Griechisch und Latein ausschließlich in Minuskeln geschrieben und somit auch in Minuskeln gedruckt.
Ab 1468 entwickelten in Venedig die deutschen Prototypografen Johannes (o.A.–1469/1470) und Wendelin (o.A.–1477) von Speyer (Giovanni and Vendelino da Spira) aus der »Sublacensischen Antiqua« von Pannartz und Sweynheym die Venezianische Renaissance-Antiqua (Venetian), die der französische Typograf Nicolas Jenson (1420–1480) 1470 in Venedig in seinen »Litterae Venetae« perfektionierte. Diese Schriftart, insbesondere die sogenannte »Jenson-Antiqua«, gilt als die erste vollkommen ausgebildete Antiqua von exemplarischer Ausgewogenheit, Deutlichkeit und betonter Rundheit in der Buchstabenkomposition. Allerdings orientierte sich die Jenson-Antiqua immer noch am Vorbild der handschriftlichen Vorlagen und folgte in ihrer Anwendung auch noch keiner systematischen Groß- und Kleinschreibung. Das Majuskel- und das Minuskelalphabet waren jedoch bereits aufeinander in ihrer Typometrie abgestimmt.

Nördlich der Alpen druckte als erster der Prototypograf Adolf Rusch (um 1435–1489) ab 1468 in der Straßburger Offizin seines Schwiegervaters Johann Mentelin (um 1410–1478) mit römisch inspirierten Antiquatypen, die sich deutlich von den beispielsweise von Peter Schöffer (um 1425/1430–1502/1503) in Mainz praktizierten Gotico-Antiqua-Mischformen abhoben. Als Schüler von Mentelin pflegten auch die Prototypografen Gebrüder Zainer – Günther (o.A.–um 1478) seit 1470 in Augsburg und Johann (o.A.–um 1523) ab 1473 in Ulm – die frühe deutsche Antiqua. In der Ulmer Offizin des Lienhart Holl (o.A.–nach 1492) entstand 1483 die größte Antiquatype der Inkunabelzeit überhaupt, in der die prachtvolle »Cosmographia« des Ptolemaeus in der Übersetzung von Jacobus Angelus (Jacopo d’Angelo, o.A.) gedruckt wurde, der erste deutsche Atlas. Mit Erhard Ratdolt (1442–1528) schließlich, der seit 1476 in Venedig gedruckt hatte, kam 1486 die elegante Renaissance-Antiqua venezianischer Prägung nach Deutschland.
Die zweite Generation von italienischen Typografen, allen voran der Venezianer Aldus Manutius (1449–1515), kultivierte ab 1495 die Antiqua der Prototypografen für die »humanistische Typografie«. Der Typograf Manutius und sein hochtalentierter Schriftgießer und Stempelschneider Francesco Griffo (Francesco da Bologna, 1450–1518) aus Bologna schufen für ihre Aldinen die »Bembo«-Type, so benannt nach dem bedeutenden Gelehrten und Humanisten Kardinal Pietro Bembo (1470–1547), der die Klassikereditionen der Offizin Manutius textkritisch redigiert hatte. Diese »Aldinische Antiqua« distanzierte sich weitgehend von ihren handschriftlichen Vorlagen sowie typografischen Protoformen und Aldos Typografie folgte erstmals konsequent dem philologischen Regelkanon von Grammatik, Orthographie und systematischer Groß- und Kleinschreibung.

In Frankreich entwickelte sich aus der Venezianischen Renaissance-Antiqua, insbesondere aus den Griffo-Lettern, ab 1530 die Französische Renaissance-Antiqua (Mediäval, Garalde), an deren Formgebung maßgeblich die französischen Typografen Antoine Augereau (um 1485-1534) und sein Lehrling Claude Garamond (1480/1500–1561) beteiligt waren. Insbesondere der Schriftschneider Garamond schnitt ab 1529 unter dem Eindruck der Alphabetsammlung des »Champfleury« seines Mentors Geoffroy Tory (1480–1533) 1533 eine eigene Schrift, die um 1620 unter dem Namen »Garamond« von Jean Jannon (1580–1658) publiziert wurde und heute noch als Referenztype für den Schriftentwurf fungiert.

Aus der Renaissance-Antiqua entstand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Vorklassizistische Antiqua (Transitional), die in Deutschland auch als Barock-Antiqua, 4) Übergangsantiqua oder als Halbmediäval bezeichnet wird. Insbesondere der englische Typograf John Baskerville (1706–1775) und der französische Typograf Pierre Simon Fournier (1712–1768) schnitten ihre Druckschriften in dieser Schriftart. Die Vorklassizistische Antiqua gilt als die erste Schriftart, deren Buchstaben konsequent und systematisch mittels der Typometrie konstruiert wurden.

Ab cirka 1770 entwickelte der italienische »Principe dei tipografi« (der Fürst unter den Typografen) Giambattista Bodoni (1740–1813) aus der französischen »Réales« Fourniers eine Klassizistische Antiqua (Didone) mit einem streng symmetrischen, fast monumental anmutenden Aufbau, welche die westeuropäische Schriftkultur des gesamten 19. Jahrhunderts maßgeblich prägen sollte.

In England entwickelte um 1815 der Schriftschneider Vincent Figgins (1766-1844) aus der Klassizistischen Antiqua von Firmin Didot (1764–1836) die »Egyptienne« (Clarendon), eine serifenbetonte Linear-Antiqua mit monumental und plakativ wirkenden Serifen. Figgins nannte seine Schrift noch »Antique«. Die Bezeichnung »Egyptienne« (frz. die Ägypterin) erhielt diese Schriftart erst ab 1825 durch Thomas Curson Hansard (1776–1833).

Mit der industriellen Entwicklung entstand ebenfalls in England aus der extratypografischen »Industrie- und Steinschrift« eine geradezu technokratisch nüchterne Linear-Antiqua ohne Serifen, die 1816 in London durch den Schriftgießer William Caslon IV. (1780–1869) in einem Majuskelalphabet unter der Schriftbezeichnung »Two Lines English Egyptian« adaptiert wurde. Im deutschsprachigen Raum bezeichnete man diese serifenlose Antiqua auch als »Endstrichlose Linear-Antiqua« oder als »Grotesk«.

© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
↑1 | Literaturemfpehlung: Mazal, Otto: Paläographie und Paläotypie. Zur Geschichte der Schrift im Zeitalter der Inkunabeln, Verlag Anton Hiersemann, Stuttgart 1984. |
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↑2 | Literaturempfehlung: Brekle, Herbert: Die Antiqualinie von ca. -1500 bis ca. +1500, Nodus Publikationen Münster, 1994, ISBN 3-89323-259-1. |
↑3 | Anmerkung: In der englischen und französischen Terminologie gibt es den Begriff »Antiqua« nicht. In England bezeichnet man seit jeher die Antiqua als »roman« und ihre kursive Version als »italic«, die französische Typografie verwendet die Termini »romain« und »italique«. |
↑4 | Anmerkung: Der korrekte Begriff für Barock Antiqua ist Vorklassizistische Antiqua. |