Skip to main content

Akzidenzschriftsetzer

26. September 2025

»Akzidenzschriftsetzer« ist eine Berufsbezeichnung aus dem gewerbespezifischen Sprachschatz der Schriftsetzer, Schriftgießer und Drucker aus der Periode des materiellen Schriftsatzes mit physischen Drucktypen aus Metall (z.B. einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung), Holz (z.B. Birnbaumholz) oder Kunststoff (z.B. Kunstharz) für einen besonders grafisch geschulten und qualifizierten Handschriftsetzer. Abkürzung: »Akzidenzsetzer«.

Semantisch rührt der erste Teil des Kompositums von »Akzidenzen«, etymologisch von mittellateinisch »accidentia« über mittelhochdeutsch »accidenz« zu »Akzidenz« im Sinne von »etwas Zufälliges, Nebensächliches, Nebenarbeit«. In der Typografie und im Druckwesen bezeichnete »Akzidenz« seit dem 16. Jahrhundert »Gelegenheitsarbeiten« oder »Nebendrucksachen« im Unterschied zu den Hauptwerken einer Offizin wie Bibeln, Gesangbüchern oder wissenschaftlichen Werken, z.B. Flugblätter, die sowohl religiöse als auch politische Themen behandelten. 1) Der zweite Teil des Kompositums verweist auf den Beruf des Schriftsetzers, der diese Arbeiten gestaltete und setzte.

Ab dem späten 18. Jahrhundert etablierte sich die Berufsbezeichnung »Akzidenzschriftsetzer« insbesondere in Zeitungsdruckereien und größeren Offizinen, die neben dem klassischen Werksatz über eine spezialisierte Akzidensatzabteilung verfügten. Diese Abteilung war hauptsächlich für die Gestaltung und den Satz von Akzidenzdrucksachen zuständig – also für wirkungsvoll gestaltete Druckerzeugnisse wie Zeitungsköpfe, Werbeanzeigen, Plakate sowie Geschäfts- und Privatdrucksachen.

Handschriftsetzer in einer größeren Offizin, vermutlich Mitte des 20. Jahrhunderts in London oder Leipzig. Fotograf und Aufnahmeort unbekannt.
Handschriftsetzer in einer größeren Offizin, vermutlich Mitte des 20. Jahrhunderts in London oder Leipzig. Fotograf und Aufnahmeort unbekannt.

Der Beruf des Akzidenzsetzers bzw. Schriftsetzers war bis Mitte des 20. Jahrhunderts überwiegend ein Männerberuf. Erst zum Ende des materiellen Schriftsatzes arbeiteten ab den 1960er Jahren in der BRD vereinzelt auch Frauen als Handschriftsetzerinnen oder Maschinensetzerinnen. In der DDR hingegen war es üblich, dass Frauen diesen körperlich anspruchsvollen Beruf bis teilweise nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 ausübten.

Das Berufsbild des Akzidenzsetzers:in hat sich heute zum Desktop Publisher (international), zum Typografischen Gestalter:in (Schweiz) bzw. zum Mediengestalter:in (Deutschland und Österreich) entwickelt. Auch die Berufe Grafik- bzw. Kommunikationsdesigner:in, Type Director (USA) und Art Director (international) gehen in Teilen auf dieses Berufsbild zurück (siehe Grafikdesign). 2) 3) 4)

© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de

Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
1 Anmerkung: Zu den bekanntesten Flugblättern zählen u.a. Reformationsflugblätter von Martin Luther und anderen Reformatoren, Flugblätter zum Deutschen Bauernkrieg (1524–1525), die die Anliegen der Bauernbewegung unterstützten oder die Obrigkeit kritisierten. Diese Flugblätter spielten eine wichtige Rolle in der Mobilisierung und Kommunikation der Bauern, sowie satirische Flugblätter, die sich über politische und religiöse Themen lustig machten. Ein Beispiel hierfür ist ein französisches Spottblatt auf den Papst aus dem Jahr 1551.
2 Literaturempfehlung: Wolf, Hans-Jürgen: Geschichte der graphischen Verfahren, Historia Verlag, Dornstadt, ISBN 3-980-0257-4-8.
3 Museumsempfehlung: Museum für Druckkunst Leipzig, Nonnenstraße 38, 04229 Leipzig, online unter www.druckkunst-museum.de (23.9.2025).
4 Museumsempfehlung: Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 22305 Hamburg, Informationen online unter https://shmh.de/ verfügbar (16.9.2025). Das Museum der Arbeit beherbergt in der Abteilung Grafisches Gewerbe die wohl einzige noch funktionierende Holzletternwerkstatt, die so genannte »Holzlettern Manufaktur«. Dort wird auch der Nachlass (Maschinen und Schablonen) der Firma Gerdi Schriften aufbewahrt.
Save the Date
Seminar »Typografie im Grafik- und Kommunikationsdesign«
Berlin
Berlin-Mitte, Friedrichstraße
21. November 2025

Hamburg
Hamburg-Altstadt, Ballindamm
24. November 2025

Düsseldorf
Düsseldorf-Stadtmitte, Königsallee
25. November 2025

Frankfurt
Frankfurt-Westend, Schumannstraße
26. November 2025

Stuttgart
Stuttgart-Mitte, Königstraße
27. November 2025

München
München-Altstadt, Karlsplatz
28. November 2025

Wien
Wien-Favoriten, Hauptbahnhof
1. Dezember 2025