Generative Typografie
Der Begriff »Generative Typografie« in Verbindung mit »Künstlicher Intelligenz« (KI), engl. »Artificial Intelligence« (AI), beschreibt automatische Prozesse im grafischen Gewerbe, die von einer KI generiert werden und auf spezifische Aufgaben in der Typografie ausgerichtet sind. Dazu gehören beispielsweise die automatisierte Erstellung von Printlayouts, OpenType-Schriften oder Websites, die auf definierten Regeln und vorgegebenen Daten basieren.

In der Generativen Typografie unterstützt eine spezifische (schwache) KI 1) den Designer oder die Designerin, indem sie typografische Gestaltungselemente, Schriftarten und Layouts autonom generiert. Dies geschieht jedoch stets im Rahmen vordefinierter Vorgaben und Daten, wie Stilrichtlinien, Zielgruppenanforderungen oder Corporate Design-Vorgaben. Diese KI-Systeme sind in der Lage, aus vorhandenen Mustern zu lernen und effiziente, datenbasierte Lösungen für wiederholbare Aufgaben zu entwickeln, ohne dass eigenständiges, menschenähnliches Denken erforderlich ist. Der nächste technologische Schritt wird eine allgemeine (starke) KI sein, die komplexe Aufgaben in verschiedenen Bereichen des grafischen Gewerbes und darüber hinaus (z.B. im Marketing, Mediaplanung etc.) eigenständig erledigen kann. 2)
Etymologie
Der Begriff »Generative Typografie« ist ein neu interpretiertes Rektionskompositum. Das Wort »Generativ« stammt vom lateinischen »generare« ab, was so viel wie »erzeugen« oder »hervorbringen« bedeutet. Generativ bezieht sich im Allgemeinen auf die Fähigkeit, etwas zu schaffen oder zu produzieren. In der modernen Informatik (IT) und Linguistik wurde dieser Begriff durch den US-amerikanischen Linguisten, Philosophen, Kognitionswissenschaftler, Historiker und politischen Aktivisten Noam Chomsky (*1928) in seiner »Theorie der Generativen Grammatik« populär. 3) In diesem Kontext geht es um die Fähigkeit von Systemen, komplexe Strukturen durch bestimmte Regeln zu erzeugen.
Im Bereich der Künstlichen Intelligenz bezeichnet »generativ« Algorithmen oder Modelle, die in der Lage sind, neue Inhalte wie Texte, Bilder oder Layouts zu erzeugen. Die Bezeichnung »Intelligenz« ist dabei jedoch überhöht und sachlich nicht zutreffend. Ursprünglich wurde der Begriff »Artificial Intelligence« aus einer marketingstrategischen Perspektive eingeführt, um Forschungsgelder zu akquirieren. 4) Sachlich treffender wäre die Bezeichnung »Maschinelles Lernen«.
Das Wort »Typografie« hat griechische Wurzeln. Etymologisch leitet sich »Typo-« vom altgriechischen »typos« ab, was ursprünglich »Schlag, Stoß« bedeutete und später auch »Eindruck, Muster, Bild« bezeichnete, analog zu »typtein« für »schlagen, hauen«. Dies ist der Ursprung des lateinischen »typus«, das dann »Figur, Bild, Muster« meint. Das Suffix »-graphie« bzw. »-grafie« entspricht dem altgriechischen »-graphia«, das »Schreiben, Darstellen, Beschreiben« bedeutet, und stammt von »graphein« für »ritzen, schreiben«. In der Sekundärliteratur wird neuerdings auch der Neologismus »Typografik« in der Bedeutung von »Schriftlehre« verwendet, meist im Kontext mit Linguistik oder Sprachlehre.
Durch die Kombination der beiden Begriffe ergibt sich der Ausdruck »Generative Typografie«. In diesem Zusammenhang bezeichnet »Generativ« den Aspekt, dass typografische Elemente – wie Layouts, Schriftsetzungen oder gesamte visuelle Strukturen – nicht mehr manuell, sondern durch automatisierte Prozesse, insbesondere durch eine KI, erzeugt werden. Generative Typografie bezieht sich somit auf die automatisierte Erzeugung und Gestaltung typografischer Inhalte durch maschinelle oder algorithmische Systeme.
Im Gegensatz zur traditionellen (analogen und digitalen) Typografie, die stark – direkt oder indirekt – von der Hand der Typograf:in oder Designer:in abhängt, geht Generative Typografie einen Schritt weiter, indem sie den kreativen Prozess weitgehend automatisiert und dadurch neue Formen der Effizienz und Anpassungsfähigkeit ermöglicht.
Veränderung der Typografie durch KI
KI-basierte Systeme könnten typografische Aufgaben, beispielsweise das Erstellen von Buchsatzspiegeln, Gestaltungsrastern, Layouts, Schriften (Fonts), makrotypografischen Schriftsatz, responsive Gestaltung oder typografischen Mustern sowie das Anpassen von Typografie an verschiedene Medien und Plattformen automatisieren. KI-gestützte Algorithmen sind in der Lage, große Datenmengen zu analysieren, um automatisch optimale Typografielösungen basierend auf den inhaltlichen und gestalterischen Anforderungen zu finden. Ein weiteres Potenzial liegt in der dynamischen Anpassung von Typografie in Echtzeit, etwa in personalisierten Werbekampagnen oder im Verlagswesen, bei denen Inhalte auf unterschiedliche Zielgruppen und Medien zugeschnitten werden.
Ein konkretes Beispiel wäre der Einsatz einer KI, um Inhalte automatisch an verschiedene Ausgabemedien, Bildschirmgrößen oder Geräte anzupassen, ohne dass eine Designer:in eingreifen muss. Dies könnte besonders in Zeiten der responsiven Gestaltung von Webseiten und Apps eine enorme Arbeitserleichterung und Kosteneinsparungen für Unternehmen darstellen. Zudem könnte eine KI generative Layouts erstellen, die auf den Stilvorlieben eines Unternehmens oder einer Marke basieren, was die Arbeit von Designteams, Redaktionen, Marketing- und Werbeabteilungen unterstützt und repetitive Aufgaben minimiert oder gar überflüssig macht.
Allerdings besteht die Gefahr der Normalisierung des Mittelmaßes, die im Zuge des bevorstehenden Paradigmenwechsels einhergehen wird. Denn einer generativen KI fehlt es an Vernunft, Kreativität und Empathie. Sie kann keine tiefgreifende Verbindung zu ihren generierten Texten, Entwürfen und Layouts aufbauen.
Aktuelle Entwicklungen und Software
Es gibt bereits nennenswerte Versuche, eine KI in der Layout– und Typografiegestaltung einzusetzen. Einige der frühen Beispiele stammen aus dem Bereich der automatisierten Content-Erstellung und -Verwaltung. Beispielsweise experimentiert der Springer-Verlag 5) mit KI-gesteuerten Technologien, um repetitive Layoutaufgaben effizienter für sein Verlagshaus zu gestalten. Diese Technologien befinden sich jedoch häufig noch in der Entwicklungs- und Testphase.
Beispiele für bereits existierende, öffentlich zugängliche KI-basierte Software, die gegenwärtig einen guten Überblick über die Entwicklungen im Bereich des KI-gestützten Designs bieten und die das Potenzial der Generativen Typografie demonstrieren:
- Adobe Sensei GenAI
Adobe Sensei® ist eine Künstliche-Intelligenz- und Machine-Learning-Plattform des US-amerikanischen Softwareunternehmens Adobe Inc., die in verschiedenen Adobe-Produkten integriert ist, wie Adobe Photoshop®, Adobe InDesign® und Adobe Illustrator®. Sie hilft bei der Automatisierung von Layouts, Bildbearbeitung und Formatierungen. 6) - ArtBreeder
ArtBreeder ist eine auf GANs (Generative Adversarial Networks) basierende Plattform für kreative Inhalte, die KI nutzt, um durch maschinelles Lernen neue Bilder zu erzeugen, zu kombinieren und zu verändern. Die Plattform wird hauptsächlich für die Erstellung von Porträts, Landschaften und anderen visuellen Inhalten genutzt, u.a. auch zur Generierung von Grafiken und typografischen Elementen. Initiator ist der der US-amerikanische Entwickler und Künstler Joel Simon. 7) - Canva
Canva® verwendet einfache KI-Tools, um Layout-Vorschläge und Design-Anpassungen zu generieren, die auf Benutzerpräferenzen basieren. Canva gehört dem australischen Unternehmen Canva Pty Ltd, das 2013 von Melanie Perkins (*1987), Cliff Obrecht und Cameron Adams gegründet wurde. 8) - Figma
Figma® bietet neben seiner Design-Software auch KI-gestützte Funktionen, die den kreativen Prozess vereinfachen und Layouts automatisch optimieren. Figma wurde von den US-Amerikanern Evan Wallace und Dylan Field gegründet und firmiert seit 2016 unter der Bezeichnung Figma, Inc. 9) - Frontify
Frontify® ist ein Design-Management-Tool, das Branding-Assets, einschließlich Typografie, verwaltet und teilweise KI-gestützte Tools zur Einhaltung von Corporate-Design-Richtlinien bietet. Frontify gehört dem gleichnamigen Schweizer Unternehmen Frontify AG. 10) - Runway ML
Runway ML® ist ein Tool zur Erstellung von KI-generierten Inhalten. Es wird in kreativen Bereichen eingesetzt, um automatisierte Designlösungen, darunter auch typografische Elemente, zu erstellen. Runway ML gehört dem US-amerikanischen Softwareunternehmen Runway Inc. 11)
Veränderungen von Berufsbildern im grafischen Gewerbe
Die Einführung von KI wird den typografischen und grafischen Arbeitsmarkt nachhaltig beeinflussen. Repetitive und regelbasierte Aufgaben könnten zunehmend automatisiert werden, was zu einer Verschiebung von Arbeitsfeldern führen wird. Berufe, die stark von Automatisierung betroffen sein könnten, wären beispielsweise:
- DTP-Setzer:in (Schriftsetzer:in)
Makrotypografischer Schriftsatz könnte in Gänze von einer KI übernommen werden. - Layouter:in
Routineaufgaben wie das Erstellen von Layouts und einfachen Print- oder Webformaten könnten durch eine KI ersetzt werden. - Reinzeichner:innen, Verlagshersteller:innen und Produktioner:innen
Aufgaben, die sich auf die technische Umsetzung von Designs (z.B. Reinzeichnungen) in unterschiedlichen Formaten beziehen, könnten durch KI-Anpassungen übernommen werden. - Web-, Grafik- und Kommunikationsdesigner:innen
Die meisten repetitiven Aufgaben, gewöhnliches und durchschnittliches Grafikdesign sowie das Programmieren von handelsüblichen Websites können von einer KI übernommen werden.
Neue Berufsfelder, die mit dem Einsatz einer KI neu entstehen könnten, wären beispielsweise:
- Creative Coders
Designer:innen, die über Programmierkenntnisse verfügen und eng mit KI-Systemen zusammenarbeiten, um kreative Prozesse zu steuern und zu optimieren. - Design Controller
Web-, Grafik- und Kommunikationsdesigner:innen, die für die Qualitätssicherung von Produkten einer KI zuständig sind. - KI-Spezialist:innen
Experten, die KI-gestützte Design-Tools entwickeln oder anpassen. - Strategische Designer:innen
Hochqualifizerte Typograf:innen, Grafik- und Kommunikationsdesigner:innen, die in der Lage sind, Protoentwürfe, Prototypen und Nullnummern zu entwerfen, die zukünfig als Parameter für eine KI dienen. - UX-Designer
Designer:innen, die digitale Nutzererlebnisse kreieren, die durch eine KI gestaltet oder unterstützt werden.
Differenzierung durch Fachwissen und Expertise
Für Typograf:innen bzw. Grafikdesigner:innen wird es zunehmend wichtig, sich durch spezialisiertes Fachwissen, kreative Fähigkeiten und technologische Anpassungsfähigkeit zu differenzieren. Besonders in komplexen Projekten, die eine tiefe Auseinandersetzung mit Markenidentität, emotionaler Wirkung und strategischer Kommunikation erfordern, bleibt der Mensch im Vorteil. KI wird die gestalterische Arbeit ergänzen und repetitive Aufgaben automatisieren, aber das Fachwissen und die Innovationskraft des Designer:in werden weiterhin entscheidend sein.
Beispiele für Fachwissen, das eine KI nicht ersetzen kann:
- Gestalterische Innovation
Grafikdesigner:innen, die in der Lage sind, neue gestalterische Trends zu setzen und innovative visuelle Konzepte zu entwickeln, behalten einen Wettbewerbsvorteil, den KI-gestützte Systeme nur schwer nachvollziehen können. - Konzeptuelle und kreative Problemlösungen
Während KI bestimmte Muster und Vorlagen generieren kann, bleibt der menschliche Designer im Vorteil, wenn es darum geht, kreative und einzigartige Lösungen zu entwickeln, die über algorithmische Vorgaben hinausgehen. - Markenstrategie und emotionale Intelligenz
Das Verständnis von Markenidentität und die Fähigkeit, emotionale Verbindungen durch Typografie und Design herzustellen, erfordert eine tiefgehende Kenntnis der Zielgruppe und der Unternehmenswerte, was von einer KI derzeit nur eingeschränkt geleistet werden kann. - Mikrotypografische Gestaltung
Für eine KI wird im Wesentlichen ein einfacher Schriftsatz kein Problem darstellen. In der ästhetischen Mikrotypografie allerdings und bei künstlerischen Ambitionen, die Ausdrucksmöglichkeit einer Sprache in ihrer Schriftlichkeit zu erweitern, sind einer KI enge Grenzen gesetzt, da es ihr an Feinsinn und Gespür fehlt.
Anpassungsfähigkeit und Interdisziplinarität
Typograf:innen, Grafik- und Kommunikationsdesigner:innen, die bereit sind, sich mit neuen Technologien und Tools auseinanderzusetzen, können ihre Fähigkeiten erweitern und sich an veränderte Marktanforderungen anpassen. Das Erlernen von Programmiersprachen, das Verstehen von Algorithmen oder das Arbeiten mit KI-gestützten Designsystemen können entscheidende Vorteile bringen. Ein interdisziplinärer Ansatz, der Design mit Fachkenntnissen in den Bereichen Programmierung, Datenanalyse oder auch Psychologie verbindet, kann Grafikdesigner:innen helfen, in neuen und anspruchsvollen Nischen Fuß zu fassen, die KI nicht so leicht abdecken kann. Gleiches gilt für Designer:innen, die über ein branchenübergreifendes fundiertes Know-how und Allgemeinwissen verfügen, beispielsweise in Wirtschaft, Industrie, Journalismus, Kultur oder Politik.
Kundennähe und Beratungsfähigkeit
Ein weiteres Feld, in dem der Mensch einen Vorteil hat, ist die enge Zusammenarbeit mit Kunden. Grafikdesigner:innen, die sich als strategische Berater:innen positionieren und Unternehmen dabei unterstützen, ihre Kommunikationsziele zu erreichen, können einen Mehrwert bieten, den eine KI allein nicht leisten kann. Die Fähigkeit, komplexe Kundenanforderungen zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, bleibt eine zentrale Kompetenz, die menschliche Designer:innen unersetzlich macht.
Qualitätssicherung und Detailgenauigkeit
Während KI in der Lage ist, Inhalte effizient zu generieren, kann eine Typograf:in, Grafik- und Kommunikationsdesigner:in eine entscheidende Rolle bei der Endabnahme und Qualitätskontrolle spielen. Besonders bei hochwertigen Designprojekten, die eine perfekte Ausführung und Detailgenauigkeit erfordern, kann die menschliche Erfahrung sicherstellen, dass die Qualität den hohen Ansprüchen gerecht wird.
Auswirkungen Generativer Typografie auf geltendes Recht
Die Generative Typografie, welche durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur automatisierten Erstellung von typografischen und grafischen Designs führt, hat bedeutende Auswirkungen auf das bestehende Recht. Die relevantesten Rechtsbereiche, die hiervon betroffen sind, umfassen insbesondere das Urheberrecht, das Markenrecht, das Designrecht, das Persönlichkeitsrecht, das Wettbewerbsrecht sowie den Datenschutz.
- Datenschutz
Im Rahmen der Nutzung von KI-Systemen zur Erstellung generativer Typografie werden oft große Mengen an Daten verarbeitet. Insbesondere wenn persönliche Daten verwendet werden, um individuell zugeschnittene Designs zu erstellen, müssen die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachtet werden. Der Missbrauch von Daten oder unzureichende Einwilligungen könnten zu schweren Datenschutzverletzungen führen. - Marken- und Designrecht
KI kann ebenfalls Designs, Schriften oder Logos generieren, die bestehenden Marken oder geschützten Designs ähnlich sehen. Dies könnte zu Konflikten mit dem Markenrecht führen, wenn bestehende Marken nachgeahmt werden. Gleiches gilt für das Designrecht, welches formale Designs schützt. Sollte eine KI ein Design erzeugen, das einem geschützten Design zu nahe kommt, könnten rechtliche Schritte wegen Designrechtsverletzung eingeleitet werden. - Persönlichkeitsrechte
Die Nutzung persönlicher Daten oder Bilder, um personalisierte Designs zu generieren, könnte gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen, wenn dies ohne die Einwilligung der betroffenen Personen geschieht. Besonders im Fall von KI-gestützten Werbemaßnahmen oder individuell angepassten Designs besteht die Gefahr, dass personenbezogene Daten ohne Zustimmung verwendet werden. - Urheberrecht
Das Urheberrecht schützt die geistige Schöpfung von Menschen, und hier stellt sich die Frage, ob und inwieweit KI-generierte Designs urheberrechtlichen Schutz genießen können. Klassisch schützt das Urheberrecht Werke, die eine persönliche geistige Schöpfung der Urheber:in darstellen. KI-Systeme hingegen erstellen Designs weitgehend autonom, sodass die Frage aufkommt, wem die Urheberschaft zugeordnet werden soll – dem Programmierer der KI, dem Eigentümer der KI oder dem Nutzer, der die KI einsetzt, oder keinem der drei. Hier herrscht rechtliche Unklarheit, die in der Zukunft präzisiert werden muss. - Wettbewerbsrecht
Das Wettbewerbsrecht spielt eine Rolle, wenn durch KI-generierte Designs unlauterer Wettbewerb begünstigt wird, beispielsweise wenn auf täuschende Weise menschliche Schöpfungen imitiert werden, ohne dass offengelegt wird, dass die Entwürfe maschinell erstellt wurden. Auch die massenhafte und kostengünstige Produktion von Designs durch KI könnte zu einer Marktverzerrung führen, was rechtliche Fragen im Zusammenhang mit fairen Wettbewerbsbedingungen aufwirft.
Ethische Überlegungen
Bei der Nutzung Generativer Typografie und Designs werden zukünftig ethische Überlegungen relevant werden. Nachfolgende Überlegungen könnten wichtig sein, um einen verantwortungsvollen und ethischen Umgang mit Generativer Typografie zu fördern, beispielsweise:
- Datenschutz
Die Wahrung der Privatsphäre und der korrekte Umgang mit persönlichen Daten ist zentral, insbesondere in Bezug auf personalisierte Designs. - Diskriminierung
KI-Systeme basieren auf Trainingsdaten, die potenziell Voreingenommenheiten und stereotype Darstellungen enthalten können. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die KI faire und repräsentative Designs erstellt. - Energieverbrauch
Rechenzentren verbrauchen sehr viel Energie. Beispielsweise verbraucht eine Abfrage mit einer ChatGPT-KI rund zehnmal so viel Energie, wie eine klassischen Google-Suche, ganz abgesehen vom Training immer größerer werdenden KI-Modelle. 12) - Kreative Integrität
KI-generierte Designs werfen die Frage auf, inwieweit menschliche Kreativität noch geschätzt und anerkannt wird, wenn Maschinen zunehmend kreative Aufgaben übernehmen, was schlußendlich auch monitäre Aspekte betrifft. - Technologiezugang
Der gerechte Zugang zu Technologien zur Generativen Typografie muss gewährleistet sein, um soziale Ungleichheiten und eine digitale Kluft zu vermeiden. - Transparenz
Sollten Nutzer und Verbraucher darüber informiert werden, dass ein Design oder ein Foto von einer KI erstellt wurde? Dies könnte helfen, Missverständnisse über die Urheberschaft zu vermeiden. - Verantwortlichkeit
Es muss klar definiert werden, wer für rechtliche und ethische Verstöße haftet, die durch von KI-generierte Designs verursacht werden – der Entwickler, der Nutzer oder die KI selbst. - Vergütung
KI-Systeme basieren auf Trainingsdaten Dritter (Data Mining) – also u.a. auf Büchern, Beiträgen in Zeitungen und Websites, Designs, Fotos, Entwürfen, Forschungsergbnissen, Filmen, Musik etc. –, was die grundsätzliche Frage nach einer gerechten Vergütung der ursprünglichen Urheber:innen aufwirft. - Wahrhaftigkeit
Wie kann gewährleistet werden, dass KI-generierte Designs oder Fotos den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht gefährden und Neid, Missgunst sowie Hass nicht fördern?
Fazit
Durch den Paradigmenwechsel hin zur Generativen Typografie wird es für Typograf:innen, Grafik- und Kommunikationsdesigner:innen zunehmend wichtig, sich durch spezialisiertes Fachwissen, kreative Fähigkeiten und technologische Anpassungsfähigkeit zu differenzieren. Besonders in komplexen Projekten, die eine tiefe Auseinandersetzung mit Markenidentität, emotionaler Wirkung und strategischer Kommunikation erfordern, bleibt der Mensch im Vorteil. KI wird die gestalterische Arbeit ergänzen und repetitive Aufgaben automatisieren, aber das Fachwissen und die Innovationskraft eines Designers werden weiterhin entscheidend sein.
Darüber hinaus wird die Generative Typografie rechtliche und ethische Rahmenbedingungen in vielerlei Hinsicht infrage stellen. Während die Automatisierung durch KI den Designprozess effizienter macht, bringt sie gleichzeitig neue Herausforderungen für den Schutz geistigen Eigentums und den Umgang mit Daten und Rechten mit sich. Rechtliche Klarheit und ethische Leitlinien werden in der Zukunft entscheidend sein, um den verantwortungsvollen Einsatz von KI im typografischen und grafischen Bereich zu gewährleisten.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Anmerkung: Eine schwache KI ist eine spezifische KI, wie beispielsweise Siri® von Apple®, Alexa® von Amazon® oder KIs in selbstfahrenden Autos. |
|---|---|
| ↑2 | Anmerkung: Eine allgemeine (starke) KI wäre theoretisch in der Lage, menschenähnliches Denken zu zeigen und in unterschiedlichen Fachbereichen, z.B. im Marketing, in der Typografie, im Grafikdesign, in der Fotografie und in der Produktion, eigenständig zu agieren – beispielsweise vom Briefing bis hin zur fertig produzierten Website oder Zeitung. Diese allgemeine KI existiert bisher nur in der Forschung und ist noch nicht realisiert. |
| ↑3 | Anmerkung: Die Theorie der Generativen Grammatik beschreibt, wie Menschen mit einem angeborenen Regelwerk im Gehirn sprachliche Strukturen erzeugen können. Sie geht davon aus, dass es universelle grammatikalische Prinzipien gibt, die allen Sprachen gemeinsam sind. Diese Theorie erklärt, wie Menschen unendlich viele Sätze mit begrenztem Vokabular bilden können, indem sie diese angeborenen Regeln anwenden. Generative Grammatik untersucht somit die Strukturen und Prozesse, die hinter der Sprachproduktion und -verarbeitung stehen. |
| ↑4 | Anmerkung: Die Bezeichnung »Artificial Intelligence« (AI bzw. KI) wurde 1956 im Rahmen der Dartmouth Conference von John McCarthy geprägt. Ziel war es, einprägsame und zukunftsträchtige Begriffe zu verwenden, um öffentliche und institutionelle Fördermittel für ein neues Forschungsfeld zu gewinnen. Quelle: Vgl. Crevier, Daniel: AI: The Tumultuous History of the Search for Artificial Intelligence. New York: Basic Books, 1993. |
| ↑5 | Anmerkung: Axel Springer SE ist eines der größten Medienhäuser Europas mit Sitz in Berlin. Gegründet 1946, gehört es zu den führenden Akteuren in der digitalen Transformation der Medienlandschaft. Das Unternehmen veröffentlicht bekannte Zeitungen und Zeitschriften wie »Die Welt« und die »Bild-Zeitung«, die eine hohe Reichweite in Deutschland und international haben. Axel Springer SE ist stark im digitalen Nachrichtenbereich und expandiert zunehmend in den Bereichen Online-Medien, digitale Dienstleistungen und Technologien. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in der Axel-Springer-Straße im Herzen von Berlin. |
| ↑6 | Quelle: Adobe Experience Cloud, online unter https://business.adobe.com/de/products/sensei/adobe-sensei.html (17.10.2024). |
| ↑7 | Quelle: ArtBreeder, online unter https://www.artbreeder.com (17.10.2024). |
| ↑8 | Quelle: Canva, online unter https://www.canva.com/de_de/ (17.10.2024). |
| ↑9 | Quelle: Figma, online unter https://www.figma.com/de-de/ (17.10.2024). |
| ↑10 | Quelle: Frontify, online unter https://www.frontify.com/de/ (17.10.2024). |
| ↑11 | Quelle: Runway ML, online unter https://runwayml.com (17.10.2024). |
| ↑12 | Quelle: Zeit Online, Atomkraft für KI: Ist KI wirklich so wichtig? Online unter https://www.zeit.de/digital/2024-10/atomkraft-google-tech-newsletter-kuenstliche-intelligenz (19.10.2024). |