Asymmetrie
In der Typografie bezeichnet »Asymmetrie« die ungeordnete, nicht spiegelbildlich oder ungleich wirkende Anordnung von Zeichen, Zeilen, Absätzen und Kolumnen innerhalb eines Layouts sowie das bewusste Brechen einer gleichmäßigen Balance in der Typometrie eines Schriftzeichens beziehungsweise Buchstabens. Der Begriff leitet sich vom altgriechischen »ἀσυμμετρία« (asymmetría) ab, zusammengesetzt aus »ἀ« (a-, für un-, ohne) und »συμμετρία« (symmetría, Ebenmaß, Maßverhältnis), und bedeutet wörtlich »Unverhältnismäßigkeit« oder »Abwesenheit von Symmetrie«. Adjektiv: asymmetrisch. Das Pendant zur Asymmetrie ist die Symmetrie.

Die einfachste, aber prägende Form asymmetrischer Gestaltung innerhalb eines Layouts ist der Flattersatz, eine nicht achsengebundene Schriftsatzart, deren Zeilen beispielsweise am Satzspiegel oder Rand frei ausgerichtet sind und häufig als »asymmetrischer Satz« oder »asymmetrischer Flattersatz« bezeichnet werden. Insbesondere Jan Tschichold (1902–1974) prägte diesen Begriff mit seiner Schrift »Elementare Typographie« (1925), 1) in der er den asymmetrischen Satz als Ausdruck der Modernität gegenüber dem traditionellen symmetrischen Blocksatz etablierte.
Varianten asymmetrischer Anordnung:
- Vertikale Asymmetrie (fehlende Spiegelung an einer senkrechten Achse), beispielsweise bei einseitig angeordneten Kolumnen oder Bildern.
- Horizontale Asymmetrie (fehlende Spiegelung an einer waagerechten Achse), etwa wenn bewusst ausbalancierte Layout-Elemente in ein gestalterisches Ungleichgewicht gebracht werden.
- Radiale Asymmetrie (ungleiche Anordnung um einen Mittelpunkt): Während der Begriff »radial« ursprünglich Symmetrie suggeriert, werden in der experimentellen Typografie bewusst ungleichmäßige Kompositionen um einen Mittelpunkt gestaltet.
- Raster– bzw. netzunabhängige Anordnung (Abweichung von streng modularen Systemen): Solche Prinzipien finden sich insbesondere in avantgardistischen und expressiven Layouts.
Gestaltungstheorie und Wahrnehmung
Asymmetrie ist ein grundlegendes Prinzip zur Schaffung von Dynamik, Spannung und individueller Ausdruckskraft. Sie widersetzt sich mathematischer Exaktheit und orientiert sich stärker an subjektiver Wahrnehmung, Gestaltungsintention und kulturellen Kontexten. Das menschliche Auge nimmt Abweichungen von konventionellen Regeln besonders intensiv wahr – wodurch asymmetrische Gestaltungen deutlich Aufmerksamkeit erzeugen und eine bewusste Abkehr von reiner Harmonie signalisieren.
Schriftgestaltung und Asymmetrie
Auch einzelne Buchstaben können asymmetrisch gestaltet sein, etwa das »R«, »K« oder »G«. Unterschiede zwischen serifenlosen und serifenbetonten Schriften prägen dabei, wie stark asymmetrische Merkmale im Schriftbild hervorstechen. In der Schriftgestaltung werden bewusst ungleiche Strichstärken oder Proportionen als Charaktermerkmal eingesetzt, ohne handwerklichen Mangel zu signalisieren.
Grafikdesign und historische Entwicklung
Im Grafikdesign steht Asymmetrie für Lebendigkeit, Modernität und Originalität. Insbesondere zu Beginn der Moderne galt sie als Bruch mit den Gestaltungsregeln der Tradition.

Künstlerinnen und Gestalterinnen wie El Lissitzky (1890–1941), Piet Zwart (1885–1977) und Jan Tschichold sahen in der asymmetrischen Gestaltung ein revolutionäres Mittel, den statischen Charakter symmetrischer Formen zu überwinden und eine zeitgemäße Bild- und Schriftgestaltung zu etablieren. Historisch entstand das Prinzip eng verbunden mit den Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts, besonders im Konstruktivismus, bei De Stijl und im Bauhaus. Während die Inkunabelzeit und die Renaissance fast ausschließlich symmetrische Layouts hervorbrachten, verhalf die Moderne der Asymmetrie zum Durchbruch, indem sie Bewegung, Kontrast und Ausdrucksstärke in der Typografie systematisch nutzte.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Literaturempfehlung: Tschichold, Jan: Die neue Typographie. Ein Handbuch für zeitgemäss Schaffende, Berlin, Verlag des Bildungsverbandes der deutschen Buchdrucker, 1928. |
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