Typografischer Terminus für die erste Innenseite (# 1 Recto) eines Buches oder einer buchähnlichen Publikation (z.B. Geschäftsbericht). Auch als »Vortitel« bezeichnet. Der Schmutztitel ist die erste Innenseite und gehört zur Titelei, die dem eigentlichen (Buch)Inhalt vorangestellt wird.
Inhalt
In der Buchgestaltung enthält ein Schmutztitel in der Regel den Verfasser und den Titel eines Buches. 1) Alternativ oder in Kombination kann er nachfolgende Inhalte und Gestaltungselemente aufweisen:
- Buchtitel (oder Publikationstitel)
- Reihentitel (oder Verweis auf den Inhalt)
- Verfasser
- Verlag (oder Unternehmen)
- Verlagssignet (oder Unternehmenslogo)



Ein Schmutztitel wird innerhalb eines Buchsatzspiegels bzw. Gestaltungsrasters registerhaltig gesetzt. Er kann auch als Vakatseite (Leerseite) angelegt werden. 2)
Paginierung
In der Buchtypografie ist ein Schmutztitel immer die erste (rechte) Innenseite, also die erste Seite (# 1 Recto) eines Buches bzw. einer buchähnlichen Publikation. Der Schmutztitel befindet sich zwischen dem Umschlag (U2) bzw. dem vorderen Vorsatz (Fliegendes Blatt) und dem Frontispiz, 3) der dem Schmutztitel auf der Rückseite (# 2 Verso) folgt.

Der Schmutztitel ist zwar rechnerisch die Seite # 1 eines Buches, wird aber nicht mit einer Pagina bzw. einem Kolumnentitel versehen, da dieser eine Titeleiseite ist und die eigentliche Paginierung erst mit dem Inhalt erfolgt (Nummerierung der Seiten siehe Pagina).
Etymologie
Der Begriff stammt aus dem gewerbespezifischen Sprachschatz deutscher Offizinen, der eine frühmittelalterliche Technik des Schreibwesens (Kalligraphie) beschreibt, um einen Buchblock vor und während der buchbinderischen Weiterverarbeitung zu schützen. Denn Buchumschläge wurden nicht in Skriptorien (Schreibstuben) bzw. später in Offizinen, sondern individuell und separat von Klosterbuchbindern (meist Mönche), ab Mitte des 15. Jahrhunderts auch durch bürgerliche Buchbinder sowie »Studentenbuchbinder« und mit Beginn des 16. Jahrhunderts verstärkt von Zunftbuchbindern gefertigt, die in der Regel vom Buchbesitzer selbst beauftragt wurden.
Die Prototypografie übernahm mit der Herstellung von Inkunabeln die Verfahrensweise, den kunstvoll und aufwendig gestalteten Buchblock mit einem sogenannten »Schmutztitel« zu versehen, um das frisch gedruckte – und extrem kostbare – Buch beim Stapeln vor Farbabdruck, Abrieb und Transportschäden zu schützen. Gleichzeitig erfüllte der Schmutztitel die Aufgabe eines Titelblattes, das den Buchtitel und den Verfasser trug. 4)
Erst mit der sukzessiven Industrialisierung des Druckhandwerks und insbesondere der Auflösung des Buchbinderzunftwesens zum Ende des 18. Jahrhunderts, war dieser Schritt bei der buchbinderischen Weiterverarbeitung – und somit der Schmutztitel – nicht mehr notwendig.
Heute ist in der industriellen Buchproduktion der Schmutztitel für die Weiterverarbeitung funktionslos. Allerdings wurde die traditionelle Bezeichnung »Schmutztitel« mit Beginn des 19. Jahrhunderts in der Buchtypografie im Sinne eines »Vortitels« übernommen. Er ist also nur noch ein dramaturgisches Gestaltungselement, um den nachfolgenden Haupttitel hervorzuheben. 5)
Der Schmutztitel befindet sich bei gewerblichen Hauptdruckverfahren auf dem ersten Druckbogen (Rohbogen) oder einem separaten Titelbogen (siehe Titelei).
Der Schmutztitel bzw. die Seite mit dem Schmutztitel ist traditionell die passende Seite für handschriftliche Widmungen, beispielsweise wenn man ein Buch verschenkt.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
↑1 | Anmerkung: Der Buchtitel und der Haupttitel eines Buches sind unterschiedliche Bezeichnungen. Der Buchtitel ist wortwörtlich zu nehmen, der Haupttitel eines Buches ist jedoch die Titeleiseite 3 (# 3 Recto). |
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↑2 | Literaturempfehlung: Hochuli, Jost: Bücher machen. Eine Einführung in die Buchgestaltung, im besonderen in die Buchtypografie, Agfa Compugraphic by Agfa Corporation, Wilmington (Mass.), USA, 1989. |
↑3 | Tipp: Die Rückseite eines Schmutztitels, also der Frontispiz, kann natürlich auch eine Vakatseite sein, um damit dem Haupttitel gebührend zur Geltung zu bringen. |
↑4 | Anmerkung: Diesen ursprünglichen Sinn und Zweck erfüllt ein Schmutztitel auch heute noch, wenn bibliophile Bücher, z.B. Künstlerbücher oder aufwendige Jahresgaben, von einem Handbuchbinder weiterverarbeitet werden. |
↑5 | Anmerkung: Die Funktion des Schmutztitels, auch wenn er gegebenenfalls mit Autor und Buchtitel versehen ist, ersetzt nicht den Haupttitel eines Buches. |