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Achsstellung

9. März 2024

»Achsstellung« ist ein Fachbegriff aus der dspr. Typografie und der Schriftgestaltung, welcher die Achsneigung runder Buchstaben – in der Regel bei Minuskeln oder der Minuskelziffer »0« – mit geschlossenen und offenen Punzen, z.B. »o«, »c«, »e« und »g«, um ihre unsichtbare horizontale und/oder vertikale Achse in Bezug auf die Grundlinie und den Mittelpunkt des Zeichens beschreibt; diagonale Abweichung von der optischen oder rechnerischen Achse eines Buchstabens

Die Achsstellung eines Buchstabens ist nicht zu verwechseln mit der Schattenachse oder einer geneigten Schriftlage, z.B. einer kursiven Schriftlage.

Die Achsstellung war ursprünglich entscheidend für die visuelle Harmonie von klassischen Drucktypen aus Metall, indem sie eine gleichmäßige Positionierung der Buchstaben ermöglichte. Bei digitalen Fonts folgt die Achsstellung ausschließlich ästhetischen Betrachtungsweisen oder der Typifikation im Rahmen der Schriftklassifikation. 1)

An der Minuskel »o« wird der Unterschied der Achsstellung zwischen einer Bodoni 72 von Dmitry Kirsanov (*1965) und einer Guardi von Reinhard Haus (*1950) sehr deutlich. Letztere ist eine Venezianische Renaissance-Antiqua, die Bodoni eine Klassizistische Antiqua.
An der Minuskel »o« wird der Unterschied der Achsstellung zwischen einer Bodoni 72 von Dmitry Kirsanov (*1965) und einer Guardi von Reinhard Haus (*1950) sehr deutlich. Letztere ist eine Venezianische Renaissance-Antiqua, die Bodoni eine Klassizistische Antiqua.

Bei einzelnen Buchstaben bezieht sich die Achsstellung auf die Achsschiefe um die eigene Drehachse (Abweichung einer Achse von der Horizontalen oder der Vertikalen), wodurch subtile Unterschiede in Neigung und Ausrichtung entstehen. Die Achsstellung kann mit der Schattenachse eines Zeichens korrespondieren – muss aber nicht. Die Achse kann beispielsweise leicht diagonal schräg im oder gegen den Uhrzeigersinn sein, wie es bei Venezianischen Renaissance-Antiquas der Fall ist, oder senkrecht, wie es bei Vorklassizistischen Antiquas oder Klassizistischen Antiquas bevorzugt wird.

In der Schriftklassifikation spielt die Achsstellung also eine bedeutende Rolle, so auch bei der Klassifizierung zwischen Antiqua mit und ohne Serifen (Grotesk). Antiqua-Schriften mit Serifen weisen oft eine leichte Schrägstellung auf, während serifenlose Schriften eine eher aufrechte Ausrichtung zeigen.

Ein konkretes Beispiel verdeutlicht den Unterschied in der Achsstellung zwischen einer Venezianischen Renaissance-Antiqua, beispielsweise repräsentiert durch die Schriften von Nicolas Jenson (1420–1480), und einer Französischen Renaissance-Antiqua von Claude Garamond (um 1498/99–1561). Nicolas Jensons Drucktypen weisen eine subtile Schrägstellung auf, verleihend der Schrift ein dynamisches und künstlerisches Flair. Im Gegensatz dazu präsentiert die Französische Renaissance-Antiqua von Garamond eine tendenziell aufrechtere Achsstellung, was der Schrift eine Strenge und Eleganz verleiht.

Die sorgfältige Berücksichtigung der Achsstellung ist somit nicht nur ein technischer Aspekt, sondern ein künstlerisches Element, das den Charakter einer Schriftart prägt. Schriftgestalter:innen nutzen sie seit Jahrhunderten bewusst, um visuelle Nuancen zu schaffen und den Ausdruck der Schrift zu verfeinern. Diese Prinzipien halten sich bis heute in der zeitgenössischen Typografie, wo Type Designer:innen die Achsstellung als Werkzeug zur Schaffung einzigartiger und ansprechender Schriftbilder nutzen.

Die Entwicklung der Achsstellung seit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert durch Johannes Gutenberg (um 1400–1468) bis zur Gegenwart spiegelt die Veränderungen im polygrafischen Gewerbe, kulturellen Einflüssen und kreativen Entscheidungen von Schriftgestalter:innen wider. Während frühere Druckverfahren handwerkliche Unregelmäßigkeiten in der Achsstellung aufwiesen, ermöglichen moderne Techniken eine präzisere Kontrolle und künstlerische Freiheit bei der Gestaltung von Schriftarten.

© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de

Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
1 Literaturempfehlung: Cheng, Karen: Designing Type, Anatomie der Buchstaben, Verlag Hermann Schmidt Mainz, ISBN 3-87439-689-4.
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