Schlussstück
»Schlussstück« ist ein typografischer Fachbegriff aus dem gewerbespezifischen Sprachschatz dspr. Schriftsetzer, Schriftgießer und Drucker aus der Periode des materiellen Schriftsatzes mit physischen Drucktypen aus Metall (z.B. aus einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung), Holz (z.B. aus Birnbaumholz) oder Kunststoff (z.B. aus Kunstharz). Der Begriff bezeichnet ein gegenständliches oder abstraktes Alinea (Schmuckzeichen), das eine Textpassage oder ein Kapitel eines Buches grafisch abschließt. Alternativ kann es als typografischer Zierrat (typografischer Schmuck) oder Vignette (Rebranke) am Ende einer Kolumne verwendet werden. Alternative Schreibweise: »Schlußstück«.

Schlussstücke können unterschiedliche Formen, Größen und Symmetriearten 1) aufweisen und besitzen in der Regel keinen direkten semantischen Bezug zum Text. Sie dienen primär als illustratives Gliederungselement. Die Formvielfalt reicht von Drei-Sterne-Abschlüssen über verzierte Linien (Schlusslinien) und Englische Linien bis hin zu figürlichen Ornamenten und Vignetten. Während der kunstgeschichtlichen Epoche des Jugendstils war beispielsweise die »Kalliope« ein häufig verwendetes Schlussstück. Eines der bekanntesten Zierzeichen dieser Art in der europäischen Typografie ist das »Aldusblatt« 2) , das auf den venezianischen Typografen Aldus Manutius (1449–1515) zurückgeht.


Im Schriftsatz mit physischen Drucktypen aus Metall gehörten Schlussstücke zum »Zierrat« und wurden in der Regel gemeinsam mit den Akzidenzschriften aufbewahrt. 3) Schriftgießereien boten während der Epoche des Handschriftsatzes eine Vielzahl an Formen an, die sich an den jeweiligen Kunststilen und typografischen Moden orientierten.
Bei gut ausgebauten OpenType Fonts finden sich oft einige wenige Alineas im erweiterten Zeichensatz eines Fonts. Beispielsweise verfügt die Französische Renaissance-Antiqua »Minion Pro« von Robert Slimbach (*1956) über mehrere speziell gestaltete Schlussstücke, die stilistisch zur Anmutung dieser Schrift passen. Zudem bieten Schriftanbieter spezielle Symbol Fonts an, die ausschließlich Schlussstücke, Alineas und Vignetten in verschiedenen Designs enthalten. Ein bekanntes Beispiel ist die Linotype Decoration P1, deren Zeichentabelle rund 84 Figuren umfasst. 4)
Schlussstücke werden im modernen Buchsatz nur noch selten verwendet.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Anmerkung: Symmetriearten sind beispielsweise die Achsensymmetrie, die Zentralsymmetrie und die Asymmetrie. |
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| ↑2 | Anmerkung: In der Kalligraphie als »Hederablatt« bezeichnet. |
| ↑3 | Anmerkung: In einigen typografischen Lehrbüchern wird darauf hingewiesen, dass Vignetten nicht zum Zierrat zählten (Beispiel: Luidl, Philipp: Typografie, Herkunft, Aufbau, Anwendung. Schlütersche Verlagsanstalt und Druckerei, Hannover, 1984, ISBN 3-87706-212-1, Seite 51). Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Offizinen die Klassifikation und Aufbewahrung von Vignetten unterschiedlich handhabten, was vermutlich mit der Größe der Druckerei und dem Spezialisierungsgrad ihrer Satzabteilung(en) zusammenhing. |
| ↑4 | Literaturempfehlung: Bosshard, Hans Rudolf: Technische Grundlagen zur Satzherstellung, Bildungsverband Schweizer Typografen, Bern, 1980, ISBN: 3855840105 und 3-85584-010-5. |