Akzidenzsatz
»Akzidenzsatz« bezeichnet einen gewerbespezifischen Fachbegriff aus der Zeit der Offizinen des 16. Jahrhunderts, der sich ab dem späten 18. Jahrhundert in Zeitungs- und größeren Buchdruckereien mit spezialisierten Akzidensatzabteilungen durchsetzte. Das Pendant zum Akzidenzsatz ist der Werksatz.
Der Akzidenzsatz unterschied sich vom klassischen Werksatz dadurch, dass er vor allem für die Gestaltung von Akzidenzdrucksachen verwendet wurde – also für Zeitungsköpfe, Werbeanzeigen, Plakate sowie Geschäfts- und Privatdrucksachen.
Semantisch rührt der erste Teil des Kompositums von »Akzidenzen«, etymologisch von mittellateinisch »accidentia« über mittelhochdeutsch »accidenz« zu »Akzidenz« im Sinne von »etwas Zufälliges, Nebensächliches, Nebenarbeit«. In der Typografie und im Druckwesen bezeichnete »Akzidenz« seit dem 16. Jahrhundert »Gelegenheitsarbeiten« oder »Nebendrucksachen« im Unterschied zu den Hauptwerken einer Offizin wie Bibeln, Gesangbüchern oder wissenschaftlichen Werken, z.B. Flugblätter, die sowohl religiöse als auch politische Themen behandelten. 1) Der zweite Teil des Kompositums verweist auf den Schriftsatz, also das satztechnische Verfahren.

Im Akzidenzsatz arbeiteten besonders geschulte Akzidenzschriftsetzer mit sogenannten Akzidenzschriften, die in der Regel aus Metall (z.B. aus einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung oder Messing), Holz (z.B. aus Birnenholz) oder Kunststoff (z.B. aus Kunstharz) bestanden. Aus der Akzidenzschriftsetzerei entwickelte sich sukzessive ab den 1960er Jahren mit der Einführung des Fotosatzes (optomechanischer Schriftsatz) die Layout-Setzerei, die meist als eigenständiges Unternehmen außerhalb einer Druckerei fungierte. 2) 3) 4)
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Anmerkung: Zu den bekanntesten Flugblättern zählen u.a. Reformationsflugblätter von Martin Luther und anderen Reformatoren, Flugblätter zum Deutschen Bauernkrieg (1524–1525), die die Anliegen der Bauernbewegung unterstützten oder die Obrigkeit kritisierten. Diese Flugblätter spielten eine wichtige Rolle in der Mobilisierung und Kommunikation der Bauern, sowie satirische Flugblätter, die sich über politische und religiöse Themen lustig machten. Ein Beispiel hierfür ist ein französisches Spottblatt auf den Papst aus dem Jahr 1551. |
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| ↑2 | Literaturempfehlung: Wolf, Hans-Jürgen: Geschichte der graphischen Verfahren, Historia Verlag, Dornstadt, ISBN 3-980-0257-4-8. |
| ↑3 | Museumsempfehlung: Museum für Druckkunst Leipzig, Nonnenstraße 38, 04229 Leipzig, online unter www.druckkunst-museum.de (23.9.2025). |
| ↑4 | Museumsempfehlung: Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 22305 Hamburg, Informationen online unter https://shmh.de/ verfügbar (16.9.2025). Das Museum der Arbeit beherbergt in der Abteilung Grafisches Gewerbe die wohl einzige noch funktionierende Holzletternwerkstatt, die so genannte »Holzlettern Manufaktur«. Dort wird auch der Nachlass (Maschinen und Schablonen) der Firma Gerdi Schriften aufbewahrt. |