Optische Größen
Unter »Optische Größen« versteht man in der Typografie und in der Schriftgestaltung unterschiedliche Varianten von Schriftschnitten innerhalb einer Schriftfamilie oder einer Schriftsippe, deren Typometrien (Letternarchitektur) vom Schriftgestalter:in (Type Designer) im Rahmen eines Schriftgradabstufungsmodells speziell auf Konsultationsgrößen, Lesegrößen, Schaugrößen und Ferngrößen bzw. Plakatgrößen abgestimmt wurden. Im deutschsprachigen Raum auch als »Designgrößen« bezeichnet; eng. »Optical Sizes«.
Die Evaluierung von Optischen Größen gehört in die Schriftgestaltung und in die Mikrotypografie.
Bei OpenType Fonts sind nachfolgende Optische Größen (Designgrößen) üblich, wobei die Schriftgradbstufungen von Schriftfamilie zu Schriftfamilie immer etwas unterschiedlich ausfallen, insbesondere auch deshalb, weil Schriftgrade immer nur »relativ« sind:
| Optische Größe | Optical Sizes | DTP-Punkt (pt) | Millimeter (mm) |
|---|---|---|---|
| Konsultationsgröße | Caption | ca. 6–8 pt | ca. 2–3 mm |
| Lesegröße | Regular | ca. 9–13 pt | ca. 3,1–5 mm |
| Schaugröße | Subhead | ca. 14–24 pt | ca. 5,1–9 mm |
| Ferngröße (Plakatgröße) | Display | ca. ab 25 pt | ca. ab 9 mm |
Benannt werden »Optische Größen« erst dann, wenn ein Schriftschnitt, beispielsweise der normale (regular), der kursive (italic) oder der fette (bold) Stil, in unterschiedlichen Varianten innerhalb einer Schriftfamilie vorliegt, die jeweils über veränderte Strichstärken, Punzen, Dickten oder Normalschriftweiten verfügen. 1) 2) 3)


Schriftfamilien mit unterschiedlichen Optischen Größen können ihre Ästhetik und Lesbarkeit auch in extrem großen und kleinen Schriftgraden entfalten, beispielsweise als vollwertige Konsultationsschriften. So wäre eine »Minion Pro regular« im Caption-Schnitt sicherlich eine bessere Schriftwahl für das Kleingedruckte auf einer Lebensmitteletikette, als die einer anderen Garamond-Schrift, die nur über einen normalen Schriftschnitt verfügt, dessen Typometrie auf eine durchschnittliche Lese- und Schaugröße kalibriert wurde.
Schriftfamilien, die über den qualitativen Mehrwert Optischer Größen verfügen, zählen in der Regel zu den »Expertensätzen«.
Der Großteil aller digitaler Fonts ist leider nur für Lese- und Schaugrößen optimiert. Vordergründig eine Arbeitserleichterung für Schriftgestalter:innen, in der Praxis jedoch eine Nivellierung, die einem hohen Qualitätsanspruch in der angewandten Typografie nicht gerade förderlich ist.
Optische Größen sind primär für den Druck gedacht. Sie eignen sich aufgrund der Browser-Inkompatibilität und ungleicher Anti-Aliasing- bzw. Rendering-Technologien (noch) nicht für eine differenzierte Ansicht auf Monitoren.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Literaturempfehlung: Ahrens, Tim und Shoko Mugikura: Size-specific adjustments to type designs – An investigation of the principles guiding the design of optical sizes, erschienen bei Just Another Foundry, ISBN: 978-3-00-045937-5. |
|---|---|
| ↑2 | Literaturempfehlung: Cheng, Karen: Designing Type, Anatomie der Buchstaben, Verlag Hermann Schmidt Mainz, ISBN 3-87439-689-4. |
| ↑3 | Literaturempfehlung: Osterer, Heidrun, Philipp Stamm und Schweizerische Stiftung Schrift und Typografie (Hrsg.): Adrian Frutiger, Schriften. Das Gesamtwerk, 2014, Verlag Birkhäuser, Basel, Boston, Berlin, ISBN 978-3-03821-524-0. |