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Grundlinienversatz

30. September 2025

»Grundlinienversatz« bezeichnet in der Typografie die vertikale Verschiebung einzelner Buchstaben, Indo-Arabischer Ziffern, Zeichen oder Textpassagen – meist in kleineren Schriftgraden – oberhalb oder unterhalb relativ zur Grundlinie (siehe Schriftlinien). Mittels Grundlinienversatz lassen sich hoch- und tiefgestellte Ziffern (z.B. x2 oder CO2), Buchstaben (z.B. A oder A) und Sonderzeichen (z.B. ° oder k) darstellen. Eng.: »Baseline Shift«.

Abgesehen von klassischen Hochstellungen und Tiefstellungen für Abkürzungen oder Fußnotenverweise wird der Grundlinienversatz insbesondere im Formelsatz (z.B. H₂O) genutzt. Für den wissenschaftlichen Formelsatz existieren zudem spezielle OpenType-Spezifikationen, die Standard-Verschiebungswerte und Abstände für Scripts definieren.

In der Chemie wird die Abkürzung »H₂O« verwendet, um Wasser darzustellen, wobei die Ziffer 2 tiefgestellt wird. Im gezeigten Beispiel kommt der OpenType-Font »PT Sans« zum Einsatz, der über tiefgestellte Ziffern 1, 2, 3 und 4 verfügt, welche über die Glyphentastatur ausgewählt werden können. Sind solche Glyphen nicht vorhanden, müssen entsprechende Abkürzungen über Grundlinienversatz und Schriftgrad erzeugt werden.
In der Chemie wird die Abkürzung »H₂O« verwendet, um Wasser darzustellen, wobei die Ziffer 2 tiefgestellt wird. Im gezeigten Beispiel kommt der OpenType-Font »PT Sans« zum Einsatz, der über tiefgestellte Ziffern 1, 2, 3 und 4 verfügt, welche über die Glyphentastatur ausgewählt werden können. Sind solche Glyphen nicht vorhanden, müssen entsprechende Abkürzungen über Grundlinienversatz und Schriftgrad erzeugt werden.
Beispiel eines einfachen, mathematischen Formelsatzes von algebraischen Zahlen mit Grundlinienversatz. Bildzitat: Schüler-Mathematikduden, Band 1, © Bibliographisches Institut, Mannheim.
Beispiel eines einfachen, mathematischen Formelsatzes von algebraischen Zahlen mit Grundlinienversatz. Bildzitat: Schüler-Mathematikduden, Band 1, © Bibliographisches Institut, Mannheim.

In der Mikrotypografie unterscheidet man zwischen mechanischem und optischem Grundlinienversatz:

  • Mechanischer Grundlinienversatz
    Er wird in der Regel von Textverarbeitungs- und Layoutprogrammen nach numerischen Parametern vorgenommen. Dabei werden die Schriftzeichen bzw. Textpassagen nachträglich verschoben, was jedoch nicht immer zu optimaler Lesbarkeit führt und häufig von Schriftqualität und Schriftgröße abhängt.
  • Optischer Grundlinienversatz
    Gut ausgebaute OpenType-Fonts enthalten hierfür die Features »sups« (Superscript/Hochstellung), »subs« (Subscript/Tiefstellung) sowie »sinf« (Scientific Inferiors/Wissenschaftliche Tiefstellung). Diese stellen speziell gestaltete Glyphen bereit, die sowohl in ihrer Größe als auch in ihrem Versatz optimal von Schriftgestalter:innen ausbalanciert wurden. Alternativ kann der optische Grundlinienversatz auch manuell durch Anpassung der horizontalen Zeichenposition (X-Koordinate), der vertikalen Zeichenposition (Y-Koordinate), des Schriftgrads und der Schriftstärke vorgenommen werden, was allerdings sehr aufwendig ist und deshalb meist nur im Titelsatz von erfahrenen Typograf:innen angewendet wird.

Im geschlossenen Schriftsatz werden größere Textmengen in der Lesetypografie grundsätzlich nicht versetzt, da dies die Registerhaltigkeit stören, den Grauwert verändern und die Lesbarkeit beeinträchtigen kann. Dies gilt besonders für barrierefreie Publikationen.

Kleinere Textteile wie Fußnoten, Marginalien oder Legenden sollten daher nicht im Grundlinienversatz, sondern – ausgehend vom Grundlinienraster – als Halbzeilenraster (oder ähnliche Zeilenrasterkonstruktionen) gesetzt werden.

Der Grundlinienversatz ist keine Erfindung der digitalen Typografie. Bereits im materiellen Schriftsatz (z.B. Bleisatz) wurden spezielle Versatztypen 1) genutzt, um wissenschaftliche Formelsätze oder Fußnoten darzustellen. Dieses historisch gewachsene Verfahren bildet die Grundlage moderner Funktionen in DTP– und Schriftsatzprogrammen.

Der Grundlinienversatz lässt sich in den meisten Textverarbeitungsprogrammen, etwa Microsoft Word® oder Pages von Apple®, sowie im mikrotypografischen Feinsatz professioneller Desktop-Publishing-Software (DTP), z.B. Affinity Publisher® von Serif, InDesign® von Adobe oder QuarkXPress® von Quark, einstellen.

Im HTML/CSS-Satz sind Hoch- und Tiefstellungen über die HTML-Befehle »<sup>« und »<sub>« möglich. Diese erzeugen einen mechanischen, browser- und systemabhängigen Grundlinienversatz, entsprechen jedoch nicht den Präzisionswerten professioneller Satzsoftware. Über CSS, etwa mit »vertical-align« oder »transform: translateY()«, lassen sich Hoch- und Tiefstellungen stufenlos und deutlich feiner anpassen, sodass ein optisch ausgewogener Grundlinienversatz auch im digitalen Medium erzielt werden kann. Bei angestrebter Web-Barrierefreiheit sollte berücksichtigt werden, dass Screenreader häufig Probleme bei der semantischen Erfassung von Hoch- und Tiefstellungen haben.

© Wolfgang Beinert, www.typolexikon

Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
1 Anmerkung: Einzelne, speziell gegossene Bleilettern (Drucktypen), die höher oder niedriger als die Grundlinie standen, wurden im materiellen Schriftsatz als Versatztypen bezeichnet. Hochgestellte Zeichen hießen oft einfach »Hochziffern« oder »hochgestellte Buchstaben«, tiefgestellte Zeichen entsprechend »Tiefziffern« oder »tiefgestellte Buchstaben«.
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