Aldusblatt
Blumenartiges Alinea; einzelnes Zierornament in Form eines herzförmigen Efeublattes; Schmuckzeichen; dekorative Glyphe im Zeichensatz eines Fonts. Der Terminus »Aldusblatt« ist ein Synonym für das »Hederablatt« (lat. »Hedera« für »Efeu« bzw. »hedera folium« für »Efeublatt«); Hedera-Zeichen; Kurzform Hedera. Ugs. auch als »Druckerherz« oder »Druckerblume« bezeichnet.
In der typografischen Schriftklassifikation gehört das Aldusblatt (Hederablatt) zu den floralen Alineas bzw. zu den »Fleurons« (frz. »fleuron« für »Schmückendes« von» fleur« für »Blume«), also zu den blumenartigen Zierornamenten. In der Paläografie ist das kalligraphische Hedera in lateinisch- und griechischsprachigen Handschriften eine Alinierung, um Absätze kenntlich zu machen.

Das »Aldusblatt« wurde nach dem venezianischen Humanisten, Verleger und Typografen Aldus Manutius (dem Älteren, 1449–1515) benannt, der dieses florale Alinea gerne als Schmuckzeichen, Trenn- und Schlussstück in seinen Aldinen verwendete.
Da Aldus Manutius sich insbesondere der Wiederbelebung klassischer Handschriften, insbesondere den Klassikern der griechischen und römischen Literatur widmete, liegt die Vermutung nahe, dass er mit dem Hedera-Zeichen typografisch die blumenartigen Zierornamente imitierte, die in der Kalligraphie seit Anbeginn üblich waren und die zum Standardrepertoire jedes versierten Kalligraphen gehörten.
So wurden beispielsweise u.a. Absätze in griechischen und lateinischen Handschriften und Büchern mit dem Hedera-Zeichen gegliedert. Das Hederablatt war also eine Art Interpunktionszeichen, das einen neuen Absatz bzw. einen Sinnschritt kenntlich machte. 1)

Allerdings war Aldus Manutius nicht der erste Typograf, der das Hedera-Zeichen verwendete. Bereits die Prototypografen Erhard Ratdolt (1447–1527/1528) 2) und Peter Schöffer (um 1425/1430–1502/1503) benutzten es in ihren Inkunabeln. Wer das Synonym »Aldusblatt« erstmals einführte, ist nicht überliefert. In der extratypografischen Literatur wird das Hedra-Zeichen vereinzelt auch als »Druckerherz«, »Druckerblume« oder fälschlicherweise als »Weinblatt« interpretiert. Die ursprünglich typische längliche Herzform veränderte sich im Zuge der Moderne hin zu einer eher rundlichen Form.

Die Sichtung von deutschen Schriftmusterbüchern für Zierrat, Blei- und Holztypen des 19. und 20. Jahrhunderts legt nahe, daß das Aldusblatt im materiellen Schriftsatz nahezu ausschließlich in der von der Antiqua geprägten Typografie üblich war, z.B. in der Italienischen, Französischen oder Englischen Typografie, jedoch nicht oder kaum in der von der Fraktur geprägten Deutschen Typografie.
Das Aldusblatt bzw. Hedera ist seit Jahrhunderten bis heute noch ein populäres Schlussstück in der Buchtypografie. Es wird es auch gerne von Druckereien, Buchhändlern und Verlagen als »Druckerblume«, Vignette oder als Signet verwendet, beispielsweise vom Verlag Hermann Schmidt in Mainz, der sich mit seinem Verlagsprogramm insbesondere auf die Typografie und das Grafikdesign spezialisiert hat. 3)
Das Aldusblatt in unterschiedlichen horizontalen und vertikalen (links- und rechsdrehend) Varianten findet sich heute in zahlreichen Fonts als Sonderzeichen, beispielsweise in den »ITC Zapf Dingbats« von Hermann Zapf (1918—2015) oder der »Minion Pro« von Robert Slimbach (*1956). 4)
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Anmerkung: Daher rührt – nebenbei bemerkt – auch der typografische Terminus »Alinieren« und »Alinea« (lat. »a linea« für »von der Zeile«) für »Abtrennen« bzw. »Abtrennung« bzw. »mit einer neuen Zeile beginnen«. Deshalb zählt das Aldusblatt auch zu den Alineas. |
|---|---|
| ↑2 | Quelle: Peutinger, Konrad: Romanae vetustatis fragmenta in Augusta Vindelicorum et eius dioecesi gedruckt, 1505 bei Erhard Ratdolt (1447–1527/1528), Inkunabeln der Bayerischen Staatsbibliothek, München, online verfügbar unter https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/bsb00005801/images/index.html?id=00005801&groesser=&fip=qrssdaseayaqrsyztsyztseayaenxs&no=7&seite=9 (19.6.2017). |
| ↑3 | Tipp: Für Liebhaber schöner Typobücher: Verlag Hermann Schmidt GmbH & Co. KG, Gonsenheimer Straße 56, 55126 Mainz, online verfügbar unter https://typografie.de (17.6.2017). |
| ↑4 | Anmerkung: Das vertikale »Floral Heart« hat unter UNICODE® den Code Point U+2766 und das horizontale »Rotated Floral Heart Bullet« den Code Point U+2767. |