Gebrochene Schriften
Schriftgattung; Terminus für handgeschriebene und gedruckte »gebrochene« Schriftarten gotischen Ursprungs. Die Sammelbezeichnung »Gebrochene Schriften« wird in der Paläografie und Paläotypie sowohl für handgeschriebene als auch für gedruckte gebrochene Schreib- und Buchschriften und in der Typografie für gebrochene Drucktypen unterschiedlicher Epochen und Stilrichtungen verwendet.
Zu der Schriftgattung der Gebrochenen (Druck)Schriften zählen die Textura (hochgotisch, gedruckt um 1450), die Rotunda (rundgotisch, gedruckt um 1480), die Schwabacher (spätgotisch, gedruckt um 1490) und die Fraktur (Renaissance, gedruckt ab 1513). 1)


Semantisch rührt die Bezeichnung »gebrochen« daher, dass insbesondere die Rundungen der Minuskeln in dieser Schriftgattung – im Gegensatz zur Antiqua – nicht rund, sondern »gebrochen«, also »fraktural« wirken.
Gebrochene Schriften werden deshalb im deutschen Sprachraum auch als »Frakturschriften« bezeichnet, wobei diese Bezeichnung aus Sicht der typografischen Schriftklassifikation, der Paläografie und Paläotypie für die Schriftgattung im Sinne der obersten taxonomischen Ebene streng genommen etwas ungenau ist. Denn eine Fraktur ist zwar eine gebrochene Schrift und gehört somit zu den Gebrochenen Schriften, aber eine gebrochene Schrift ist nicht zwangsläufig eine Fraktur. Allerdings dürfte diese Spitzfindigkeit nur aus heutiger akademischer Sicht von Bedeutung sein. Die immer noch gebräuchliche alternative Bezeichnung »Deutsche Schriften« ist jedoch für die obersten taxonomischen Ebene unzutreffend, da nur die Schwabacher und die Fraktur deutschen Ursprungs sind. 2) 3) 4)

Zu den Vorläuftern der Gebrochenen Schriften zählen die Hochformen der gotischen Buchschriften ab dem späten 13. und 14. Jahrhundert, diese widerum haben ihren Ursprung im 12. Jahrhundert in der »Carolino-Gotica« bzw. »Romano-Gotica« (siehe Carolina). Die Gotik stellt in paläographischer Hinsicht die reichste Epoche Gebrochener Schriften dar.
Historie der Gebrochenen Schriften siehe Fraktur und Schriftgeschichte.
Ihre Charakteristika sind gerade Striche, die scharfe Ecken und spitze Winkel bilden, gebrochene Rundungen, die an die Spitzbögen gotischer Kathedralen erinnern, sowie eine betont vertikale Ausrichtung der nun enger zusammen stehenden Buchstaben.
Hauptschriftgruppen der Gebrochenen Schriften
Im deutschen Sprachraum werden Gebrochene Schriften in der Typografie in folgende Hauptschriftgruppen bzw. u.a. in folgende Schriftuntergruppen (chronologisch geordnet) eingeteilt:
- Textura
- Rotunda
- Schwabacher
- Fraktur
- Renaissance Fraktur
- Vorklassizistische Fraktur (Barock Fraktur)
- Klassiszitische Fraktur
- Reform Fraktur
- Fraktur Varianten (Hybride)
- Bastarda (Hybride)
Von deutschsprachigen Schriftsetzern wurde im materiellen Schriftsatz (z.B. Bleisatz) die Textura auch als »Gotische Fraktur«, die Rotunda als »Rundgotische Fraktur« und die Schwabacher als »Spätgotische Fraktur« bezeichnet.
Die Typometrie von Gebrochenen Schriften weicht signifikant von der Letternarchitektur der Antiqua ab. Beispielsweise unterscheidet sich die Minuskel »x« vom »r« nur durch eine offene Schleife am Zeichenfuß. Ebenso weichen die Regeln im Schriftsatz mit Gebrochenen Schriften von den Regeln des Schriftsatzes mit Antiqua Schriften ab. So gibt es beispielsweise unterschiedliche Formen der Minuskel »s«, unterschiedliche Arten von Ligaturen und Regeln für das Setzen von Ligaturen. Auch weichen die Methoden in der Schriftauszeichnung, bei der Spationierung, im Sperrsatz und im Majuskelsatz voneinander ab.
Im Vergleich zur »Englischen Typografie« gilt der Gebrochene Schriftsatz (z.B. Fraktursatz) in der Mikrotypografie eher als anspruchslos. Semantisch motivierte Schriftmischung sind nur sehr eingeschränkt möglich, womit die Ausdrucksmöglichkeit einer Sprache in ihrer Schriftlichkeit bei Gebrochenen Schriften – im Gegensatz zur Antiqua – sehr begrenzt erscheint.

In der deutschen Kalligraphie zählen – neben diversen gotischen Minuskelhandschriften – auch die deutsche Handverkehrsschrift »Kurrentschrift« sowie die preußische Handverkehrsschrift »Sütterlinschrift« zu den Gebrochenen Schriften.
In Deutschland wurden Gebrochene Schriften offiziell bis zu ihrem Verbot im Jahre 1941 5) als Verkehrs-, Hand-, Kanzlei-, Schreibmaschinen- und Buchschriften genutzt (siehe Fraktur). 6)

Vertreter dieser Schriftgattung
Gebrochene Schriften (Auswahl):
| Schrift | Hauptschriftgruppe | Font Foundry | Jahr |
|---|---|---|---|
| Breite Kanzlei | Hybride | Gießerei Flinsch | um 1830 |
| Luthersche Fraktur | Fraktur | D. Stempel AG | 1708 |
| Manuskript-Gotisch | Textura | Bauerschen Gießerei | 1899 |
| Original Schwabacher | Schwabacher | Ludwig & Mayer | 1907 |
| Wallau | Rotunda | D. Stempel AG | 1925–1930 |
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Literaturempfehlung: Kapr, Albert: Fraktur. Form und Geschichte der gebrochenen Schriften, Verlag Hermann Schmidt, Mainz, 1993. ISBN 3-87439-260-0. |
|---|---|
| ↑2 | Literaturempfehlung: Das Handbuch der Schriftarten, Eine Zusammenstellung der Schriften der Schriftgießereien deutscher Zunge nach Gattungen geordnet, Albrecht Seemann Verlag, Leipzig, 1926. |
| ↑3 | Literaturempfehlung: Tschichold, Jan: Meisterbuch der Schrift, Otto Maier-Verlag Ravensburg 1952, ISBN 10: 347361100X und ISBN 13: 9783473611003. |
| ↑4 | Literaturempfehlung: Mazal, Otto: Paläographie und Paläotypie, Stuttgart 1986. |
| ↑5 | Quelle: Das Originaldokument des nationalsozialistischen Fraktur-Verdikts vom 3.1.1941 befindet sich unter der Signatur »NS 6/334« im Bundesarchiv Koblenz schreiben (Dienststelle Berlin, NS 18/374). |
| ↑6 | Literaturempfehlung: Wehde, Susanne: Typografische Kultur, Promotionschrift, Tübingen 2000. |