Ausgleichen
Typografischer Terminus für die ästhetische Anpassung der Weißräume innerhalb von Zeichengruppen bei Proportionalschriften durch selektive Spationierung und Unterschneidung; individueller Ausgleich von Buchstaben-, Ziffern- und Zeichenabständen; auch als »Ausmitteln« bezeichnet.
Semantisch rührt der Begriff »Ausgleichen« von »Ausgleich« im Sinne von »einen Ausgleich herbeiführen« bzw. »das Aufheben von Unterschieden durch Anpassung beider Seiten herbeiführen«.
Begriffsabgrenzung
Das »Ausgleichen« gehört in das Segment der Mikrotypografie. Der Begriff beschreibt die selektive Korrektur der Normalschriftweite (NSW) oder eines Sperrsatzes durch positive und negative Laufweitenkorrekturen von Satzzeichen in einer in sich geschlossene Zeichengruppe, z.B. innerhalb eines Wortes.
Bei einer positiven Laufweitenkorrektur (+LW) von zwei oder mehreren Zeichen spricht man von »Spationieren«. Bei einer negativen Laufweitenkorrektur (-LW) von zwei oder mehreren Zeichen, beispielsweise bei Kerningpaaren wie AV Av Aw oder Ay, spricht man von »Unterschneiden«. Wird die Laufweite eines Wortes oder einer Zeile sowohl durch Spationieren als auch durch Unterschneiden individuell korrigiert, spricht man von »Ausgleichen«.
In der Mikrotypografie zählt der selektive Ausgleich disharmonischer Zeichenabstände innerhalb einer Zeichengruppe zum Optischen Schriftweitenausgleich. Sinn und Zweck ist die Erzielung eines gleichmäßigen Weißraums zwischen mehreren Zeichen, um die Ästhetik eines Wortbildes zu optimieren.
Die Technik des ästhetischen Ausgleichens basiert auf unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien, Proportionsverständnissen und der Interpretation von Flächenwirkung, beispielsweise der von Majuskeln.


Die Technik des Ausgleichens von Buchstabenkombinationen stammt aus der Kalligraphie und wurde mit Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg (um 1400–1468) von der Typografie adaptiert.
Das Ausgleichen von Zeichengruppen erfolgt im Antiquasatz überwiegend bei Majuskeln, Majuskelligaturen und Kapitälchen (Versalausgleich bzw. Majuskelausgleich), Römischen Zahlen und Mediävalziffern, im Titelsatz (z.B. bei Plakaten, Büchern oder Magazinen), bei Akzidenzen sowie bei 2D- und 3D-Wortbildmarken (Corporate Design). Im gemischten Mengenschriftsatz (Werksatz) ist diese Form des optischen Schriftweitenausgleichs nur selten zu finden, da der Aufwand zu hoch ist.
Im deutschen Fraktursatz werden im Werksatz in der Regel nur gesperrte Auszeichnungen und Sperrsatz 1) ausgeglichen.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Anmerkung: Im deutschen Fraktursatz gibt es keinen Majuskelsatz (Versalsatz). Stattdessen wird im Sperrsatz ausgezeichnet. |
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