Dicktenkompatibel
»Dicktenkompatibel« ist ein typografischer Fachausdruck aus dem gewerbespezifischen Sprachschatz dspr. Typograf:innen und Schriftgestalter:innen (Type Designer) für Alphabete, Indo-Arabische Ziffern, Satzzeichen, Sonderzeichen und Leerraumzeichen einer digitalen Schriftsippe, bei der jedes Schriftzeichen bzw. Figur, z.B. die Minuskel a, je nach Schriftschnitt eine unterschiedliche Form und Zeichenbreite aufweist, aber aufgrund der individuellen Vor- und Nachbreiten bzw. Zeichenabstände eine exakt gleiche »Dickte« im geschlossenen Schriftsatz einnimmt; gleichlautende Figuren einer Schriftsippe, die durch Zeichenabstands–Kerning eine universelle Breite aufweisen; eng. »uniwidth« (einheitliche Breite).

Im gemischten Satz sowie bei Website-Animationen (z.B. Hover-Effekte) sind dicktenkompatible Schriftsippen besonders empfehlenswert, da alle Figuren schnell austauschbar sind, ohne dass sich dabei die Satzbreite oder der Umbruch ändert. Dadurch können auch im Nachhinein laute und leise Schriftauszeichnungen vorgenommen oder ausgetauscht werden, was bei der Umsetzung einer semantisch-typografischen Auszeichnungsmatrix sehr hilfreich ist. Ebenso sind ganzheitliche Schriftwechsel möglich, ohne dass sich der Satzumfang oder die Nutzen eines Druckbogens ändern.
Irreführende Begrifflichkeit
Die dspr. Bezeichnung »Dicktenkompatibilität« ist in der digitalen Schriftgestaltung – also bei Computer Fonts – streng genommen mehr oder weniger irreführend, da der Begriff »Dickte« ein typografischer Terminus aus dem gewerbespezifischen Sprachschatz dspr. Schriftsetzer, Schriftgießer und Drucker aus der Periode des materiellen Schriftsatzes mit physischen Drucktypen aus Metall (z.B. aus einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung), Holz (z.B. aus Birnenholz) oder Kunststoff (z.B. aus Kunstharz) für die Breite eines Schriftkegels einer Drucktype ist, beispielsweise einer seitenverkehrten Druckletter, die in einer Tiegeldruckpresse verwendet wird. Bei der Dickte handelt es sich also um die Schriftkegelbreite einer bestimmten physischen Druckschrift, die den Breitenlauf (Laufweite) vorgibt. Bei Schriften mit gleicher Dickte spricht man deshalb besser von »dicktengleich«.

»Dicktenkompatibilität« bei digitalen Fonts beschreibt hingegen einen einheitlichen, universellen Raum, den eine Figur, z.B. die Majuskel »T«, innerhalb der gesamten Schriftsippe – die über mehrere Dutzend unterschiedliche Schriftschnitte in verschiedenen Schriftlagen und Schriftstärken verfügen kann – einnimmt. Die angelsächsische Bezeichnung »uniwidth« (einheitliche Breite) ist deshalb vielleicht präziser.


Dicktenkompatibele Schriftsippen, die die Typometrie (Letternarchitektur) einzelner Figuren durch »Dehnen« oder »Stauchen« nicht verletzen, erfordern vom Schriftgestalter:in ein hohes Maß an Feinabstimmung sowie präzise Kenntnisse im Kernig und Hinting eines OpenType Fonts.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de