Grauwert
Unter Grauwert wird in der Typografie und im Grafikdesign der reflektierte bzw. absorbierte optische Farbdurchschnittswert eines monochromen Schriftbildes oder eines monochromen Schriftsatzes im Sinne von hell und dunkel, unbedruckt und bedruckt bzw. unbeschrieben und beschrieben verstanden.
Der Grauwert stellt in ästhetischer Hinsicht eine subjektive, also nicht objektive Relation von Raum, Fläche und Farbe dar; er ist die Summe unterschiedlicher makro- und mikrotypografischer Überlegungen und Gesetzmäßigkeiten. Grundsätzlich unterscheidet man den Grauwert einer Schrift und den Grauwert eines Schriftsatzes bzw. eines Faksimiles.
Der Grauwert wird durch folgende Parameter beeinflusst:
Schriftgestaltung
- Schrift (Font)
- Hinting
- Punzen
- Strichstärken 1) 2)
- Strichstärkenkontraste
- Typometrie
- Zeichenabstand
- Zeichenabstand-Kerning
- Zurichtung
Schriftsatz
- Makrotypografie
- Layout, Buchsatzspiegel und Gestaltungsraster (z.B. Proportionen von bedruckten und unbedruckten Flächen oder Größenverhältnisse der Stege zum bedruckten Satzspiegel)
- Schriftwahl (Grundschrift)
- Schriftmischung (laute oder leise, harmonische oder disharmonische Schriftauszeichnungsstrukturen)
- Mikrotypografie
Herstellung und Publikation
- Druckverfahren 3) 4)
- Bedruckstoffe
- Druckfarben
- Farbopazität 8) und Wegschlagverhalten
- Farbsystem (Schrift im gerasterten CMYK-Modell oder in Echtfarbe, z.B. HKS® oder Pantone®)
- Werk– und Akzidenzdruck
- Registerhaltigkeit (Verso-Recto-Grauwert)
- Digitale Benutzeroberflächen
- Hard- und Software 9)
- RGB-Schriftfarbe
- Hintergrundfarbe


Der typografische Grauwert basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie beispielsweise der Farbmetrik der »Commission Internationale de l’Éclairage« (Internationale Beleuchtungskommission, Wien), sondern er ist ausschließlich ein subjektiver Sinneseindruck, der eher dem subjektiven Geschmack oder dem subjektiven Geruch ähnelt. Demzufolge gibt es unterschiedliche Betrachtungsweisen über den optimalen Grauwert einer Schrift oder eines Schriftsatzes.
Allerdings existiert seit Jahrhunderten unter Typografen/innen der Erfahrungswert, dass der Grauwert ausschlaggebend für die Gesamtanmutung und die Lesbarkeit einer Schrift bzw. eines Schriftsatzes ist. Deshalb gilt im Segment der Lesetypografie die Regel, je dunkler und dichter der Grauwert einer Schriftfläche ist, desto unangenehmer und schwerer ist der Text lesbar. 10)
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Anmerkung: Je »fetter« eine Schrift ist, desto dunkler wirkt ihr Grauwert. |
|---|---|
| ↑2 | Tipp: Wird eine Schrift mittels eines Schriftsatzprogramms, z.B. QuarkXpress ® oder Adobe InDesign ®, in ihrer Breite und Höhe modifiziert, so ändert sich dadurch auch ihr Grauwert. Deshalb: Niemals eine Schrift dehnen oder stauchen! |
| ↑3 | Tipp: Der Grauwert eines Schriftsatzes für eine Drucksache kann nicht am Bildschirm beurteilt werden, da das Reflektionsverhalten völlig unterschiedlich ist. |
| ↑4 | Literaturempfehlung: Natur-, Feinst- und Künstlerpapieren im Offsetdruck. Ein Essay von Wolfgang Beinert, online verfügbar unter www.beinert.net/natur-feinst-und-kuenstlerpapiere-im-offsetdruck/. |
| ↑5 | Tipp: Strahlend weisses Papier ist als Papierfarbe in der Lesetypografie ungeeignet, da es die Schrift überstrahlt und somit einen unvorteilhaften Grauwert und Kontrast erzeugt. Dafür sind leicht getönte Papiere besser geeignet. |
| ↑6 | Tipp: Papiere mit hoher Lichtdurchlässigkeit erhöhen den Verso–Recto-Grauwert. Die Lesbarkeit wird dadurch reduziert. |
| ↑7 | Tipp: Erhabene Papiertexturen können die gleichmäßige Farbannahme erschweren und überdies einen geringen Licht-Schatten-Effekt erzeugen. Bei langen Textpassagen kann dadurch die Lesbarkeit reduziert werden. |
| ↑8 | Tipp: Bei schweren Naturpapieren empfehlen sich stark pigementierte Druckfarben, z.B. ein Intensivschwarz. Somit ändert sich die Opazität bei der Farbannahme nicht. |
| ↑9 | Anmerkung: Unabhängig von der Typometrie und des Hintings eines Webfonts, weicht die Darstellung und somit der Grauwert auf unterschiedlichen Ausgabegeräten grundlegend je nach verwendeter Hardware, Betriebssystem, Browser (Clients, z.B. Safari ®, Google Chrome ® oder Firefox ® etc.), Browserversion, Grundeinstellungen des Browsers, Bildschirmqualität, Bildschirmauflösung, Anti-Aliasing, Grafikkarte, etc. spürbar voneinander ab. |
| ↑10 | Tipp: Ist der Grauwert einer Schriftsatzarbeit zu dunkel, entsteht bei großen Textmengen der abschreckende Eindruck einer sogenannten »Bleiwüste«. |