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Plakatschriften

23. September 2025

Als Plakatschriften bezeichnet man sowohl Druckschriften als auch Handschriften, die mit Stiften, Pinseln oder Kunst- bzw. Plakatschriftfedern erstellt wurden und aus großer Entfernung in überdimensionierten Schriftgraden mehr oder weniger gut lesbar sind. Plakatschriften existieren somit sowohl in der Typografie als auch in der Kalligrafie.

In der Typografie versteht man unter Plakatschriften ausschließlich Druckschriften, deren Typometrie auf große Schriftgrade für Leseabstände im Fernbereich, also speziell auf Plakatgrößen (Ferngrößen), abgestimmt ist. Alternativ werden Plakatschriften auch als »Affichenschriften« (von frz. »affiche« für »Anschlagzettel, Plakat oder Aushang«) oder engl. »Poster Letters« bezeichnet; mit der Etablierung des optomechanischen Schriftsatzes (Fotosatz) als »Display-Schriften« und mit Aufkommen des Desktop Publishing (DTP) auch als »Poster Fonts«.

Plakatschriften im Handsatz

Für den materiellen Schriftsatz mit physischen Drucktypen wurden Plakatschriften aus Holz (z.B. aus Buchsbaum-, Ahorn- oder Birnenholz) und aus Kunststoff (z.B. aus Kunstharz) gefertigt, da überdimensionierte Buchstaben aus Metall (z.B. aus einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung) in der Herstellung zu teuer und in der Verarbeitung zu unhandlich und schwer gewesen wären.

Die ersten Plakatschriften aus Holz wurden Anfang des 19. Jahrhunderts als Akzidenzschriften in den USA für Plakate und Headlines produziert, meist in schmalfetten Stilvarianten einer bereits existierenden Werksatzschrift. Trotz der Erfindung der Holzfräse und des Pantographen waren Plakatschriften in ihrer Anschaffung und Aufbewahrung sehr kostenintensiv. Sie wurden deshalb meist im Akzidenzsatz gemeinsam mit den Akzidenzschriften aufbewahrt.

Plakatschriften sind Schriften, die aus großer Entfernung in überdimensionierten Schriftgraden mehr oder weniger gut lesbar sind. Für den materiellen Schriftsatz mit physischen Drucktypen wurden Plakatschriften primär aus Holz (z.B. aus Buchsbaum-, Ahorn- oder Birnenholz) gefertigt, da große Buchstaben aus Metall (z.B. aus einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung) in der Herstellung zu teuer und in der Verarbeitung zu unhandlich gewesen wären. Foto: pixaby.com, Hans Braxmeier & Simon Steinberger GbR, gemeinfrei.
Plakatschriften sind Schriften, die aus großer Entfernung in überdimensionierten Schriftgraden mehr oder weniger gut lesbar sind. Für den materiellen Schriftsatz mit physischen Drucktypen wurden Plakatschriften primär aus Holz (z.B. aus Buchsbaum-, Ahorn- oder Birnenholz) gefertigt, da große Buchstaben aus Metall (z.B. aus einer Blei-Zinn-Antimon-Kupfer-Legierung) in der Herstellung zu teuer und in der Verarbeitung zu unhandlich gewesen wären. Foto: pixaby.com, Hans Braxmeier & Simon Steinberger GbR, gemeinfrei.

Drucktypen aus Holz waren in der Regel ab der Kegelgröße 4 Cicero bzw. Konkordanz (= 48 dpt Didot-Punkten) bis 200 Cicero (= 2393 dpt Didot-Punkten) erhältlich (siehe auch Mitteltabelle). 1)

Im deutschsprachigen Raum wurden Plakatschriften von Holztypenmanufakturen, beispielsweise von der Roman Scherer A.G. in Luzern (Schweiz, 1910–1967), hergestellt oder über traditionelle Schriftgießereien, etwa die Offenbacher Schriftgießerei der Gebrüder Klingspor (infolge Stempel AG), vertrieben, 2)  welche ihre gesamte Holzletternproduktion ab den 1960er Jahren an die Firma Gedi Schriften 3)  in Bamberg (Bayern) delegierte. Mitte der 1970er Jahre wurde die Produktion von Plakatschriften aus Holz in Deutschland eingestellt. Jedoch sind gebrauchte Plakatschriften aus Holz auch heute noch erhältlich. 4)

Plakatschriften als OTF-Fonts

Heute werden Plakatschriften (Poster Fonts) in Form von OpenType-Fonts in speziellen Displaygrößen oder als eigenständige Display-Typefaces von vielen Font Foundries über das Internet vertrieben. Plakatschriften gibt es in allen Schriftgattungen, Hauptschriftgruppen, Schriftarten und Schriftschnitten (siehe Schriftklassifikation).

Eine bewährte schmalfette Plakatschrift ist die »Trade Gothic bold condensed No. 20« des US-amerikanischen Buchgestalters und Schriftentwerfer Jackson Burke (1908–1975), die er zwischen 1948 und 1960 in mehreren Schriftschnitten für die Mergenthaler-Linotype Company (heute Monotype) in den USA entwarf.
Eine bewährte schmalfette Plakatschrift ist die »Trade Gothic bold condensed No. 20« des US-amerikanischen Buchgestalters und Schriftentwerfer Jackson Burke (1908–1975), die er zwischen 1948 und 1960 in mehreren Schriftschnitten für die Mergenthaler-Linotype Company (heute Monotype) in den USA entwarf.
Im Vergleich die Majuskel A der »Minion Pro regular« von Robert Slimbach für Adobe®. Links im Caption-Schnitt, z.B. als Konsultationsschrift für Kleingedrucktes und rechts als Display-Schnitt, z.B. als Displayschrift für eine Headline. Die Typometrie beider Optischen Größen (Designgrößen) unterscheidet sich signifikant.
Im Vergleich die Majuskel A der »Minion Pro regular« von Robert Slimbach für Adobe®. Links im Caption-Schnitt, z.B. als Konsultationsschrift für Kleingedrucktes und rechts als Display-Schnitt, z.B. als Displayschrift für eine Headline. Die Typometrie beider Optischen Größen (Designgrößen) unterscheidet sich signifikant.

Bei qualitativ hochwertigen Textschriften, z.B. der Minion Pro von Robert Slimbach (*1956), gibt es für Plakat- bzw. Ferngrößen eine spezielle »optische Größe«, die als »Display« bezeichnet wird und in ihrer Typometrie für diese Schriftgradzuordnung optimiert ist.

Die grundsätzliche Schriftwahl gehört in den Bereich der Makrotypografie. Die Evaluierung, ob und inwieweit eine Schrift bzw. ein Schriftschnitt einer Schriftfamilie als Plakatschrift bzw. Displaygröße geeignet ist, gehört in das Segment der Mikrotypografie. 5)

© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de

Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:
1 Literaturempfehlung: Handsatzwerkstatt Fliegenkopf: Plakatschriften, Musterbuch, 101 Blatt (einseitig bedruckt) mit 85 Schriften, Hardcover, Wörthstraße 42, 81667 München, weiterführende Informationen online unter https://www.fliegenkopf-muenchen.de (23.9.2025).
2 Museumsempfehlung: Klingspor-Museum, Herrnstraße 80, 63065 Offenbach, Infos unter https://www.offenbach.de/microsite/klingspor_museum/index.php (23.9.2025).
3 Museumsempfehlung: Museum der Arbeit, Wiesendamm 3, 22305 Hamburg, weiterführende Informationen online unter https://shmh.de/ (23.9.2025). Das Museum der Arbeit beherbergt in der Abteilung Grafisches Gewerbe die wohl einzige noch funktionierende Holzletternwerkstatt, die so genannte »Holzlettern Manufaktur«. Dort wird auch der Nachlass (Maschinen und Schablonen) der Firma Gerdi Schriften aufbewahrt.
4 Tipp: Gebrauchte Plakatschriften aus Holz sind in Deutschland beispielsweise über den Süddeutsches Bleisatzkontor in Neu-Ulm, online unter http://www.bleisatzkontor.de (23.9.2025), oder über Klaus Neukirch in Langenfeld, online unter www.bleisatzmagazin-rheinland.de (23.9.2025), erhältlich.
5 Anmerkung: Die reine Größe einer Schrift sagt nichts über die Qualität ihrer Ferngröße aus.
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Seminar »Typografie im Grafik- und Kommunikationsdesign«
Berlin
Berlin-Mitte, Friedrichstraße
21. November 2025

Hamburg
Hamburg-Altstadt, Ballindamm
24. November 2025

Düsseldorf
Düsseldorf-Stadtmitte, Königsallee
25. November 2025

Frankfurt
Frankfurt-Westend, Schumannstraße
26. November 2025

Stuttgart
Stuttgart-Mitte, Königstraße
27. November 2025

München
München-Altstadt, Karlsplatz
28. November 2025

Wien
Wien-Favoriten, Hauptbahnhof
1. Dezember 2025