Kapitälchen
Großbuchstabenschrift; deutsches Diminutiv zu »Kapitale« in der Bedeutung von Majuskelschrift, analog zur lateinischen »Capitalis«; engl. »Caps«. Schriftstil, dessen Majuskelalphabet aus Großbuchstaben (Majuskeln) von der Grundlinie (Schriftlinie) zur H-Linie (Majuskelhöhe oder Versalhöhe) und dessen Minuskelalphabet aus kleineren Großbuchstaben (Kapitälchen) von der Grundlinie zur x-Linie besteht. 1)
Kapitälchen sind abgeleitet von der Capitalis monumentalis bzw. deren skriptographischer Variante Capitalis quadrata. Das systematische Figurenverzeichnis der Kapitälchen im Dreiliniensystem entwickelte sich nach der Karolingischen Schreibreform im 9. Jahrhundert (siehe Schriftgeschichte) aus durchgängigen, in sich geschlossenen Majuskelzeilen, deren Anfangsbuchstaben größer bzw. im Sinne der Paläografie als Versal geschrieben wurden. Die Typografie adaptierte diese skriptographische Schreibtechnik. In der Prototypografie konnten diese Ziermajuskeln technisch bedingt nur händisch ausgezeichnet werden.
Ab dem 16. Jahrhundert zählten Schriftschnitte mit Kapitälchen zu den Auszeichnungsschnitten bzw. Auszeichnungsschriften in der Antiqua-Typografie (siehe Schriftklassifikation). Kapitälchen gibt es in der Schriftgattung der Antiqua-Schriften sowohl in der Schriftart Antiqua (Serif) als auch in der Schriftart Grotesk (Sans Serif).
Ausgehend vom Grundstil (z.B. Normal oder Buch) einer Schriftfamilie zählen normale und kursive Kapitälchenschriftvarianten zu den leisen Auszeichnungschriften (Auszeichnungsschnitte), fette oder fettkursive Kapitälchen zu den lauten Auszeichnunsschriften innerhalb einer Schriftfamilie.


Der Duktus, die Dickte und die Höhe der Kapitälchen orientieren sich in ihren Proportionen an Minuskel. Die Strichstärke, der Wechselschwung und die Serifenformen des Groß- und Kleinbuchstabenalphabets sind in Proportion und Ästhetik aufeinander abgestimmt. Kapitälchen sind im Vergleich zu den Majuskeln in ihrer Gesamtheit etwas kräftiger und breiter konstruiert. Alle Buchstaben, Ziffern und Sonderzeichen besitzen einen gleich starken Strich.
Computergenerierte Kapitälchen gelten als »falsche Kapitälchen«. Hierbei handelt es sich nur um digital verkleinerte Majuskeln, deren Typometrie willkürlich und unverhältnismäßig ist. Falsche Kapitälchen sind grundsätzlich zu vermeiden, da sie typometrisch unästhetisch und schlechter lesbar sind.
In der klassischen Buchtypografie werden Kapitälchen beispielsweise gerne verwendet, um Eigennamen innerhalb eines geschlossenen Schriftsatzes »leise« auszuzeichnen (siehe Schriftmischung), Kolumnentitel abzugrenzen oder innerhalb einer Titelei Textpassagen alternativ hervorzuheben. 2) 3) 4) 5) 6)

Der eine oder andere Kapitälchenschriftschnitt enthält auch gesonderte Kapitälchenziffern, die auf die Typometrie der kleinen Minuskeln (Kapitälchen) abgestimmt sind.
© Wolfgang Beinert, www.typolexikon.de
Quellen / Literatur / Anmerkungen / Tipps:[+]
| ↑1 | Anmerkung: Verwirrende Begrifflichkeiten: Sowohl die Klein- als auch die Großbuchstaben eines Kapitälchenstils sind natürlich Majuskeln. In der Paläografie und Typografie wird aber zur besseren Unterscheidung des Kapitälchenfigurenverzeichnisses eine »große Majuskel« als »Versal« und eine »kleine Majuskel« als »Kapitälchen« bezeichnet. Ein in gemischter Schreibweise (groß/klein) gesetztes Wort besteht somit aus einem Versal und Kapitälchen. |
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| ↑2 | Tipp: Kapitälchen als leise Auszeichnung sollten – wie Majuskelzeilen oder Medävalziffern – immer leicht spationiert werden. |
| ↑3 | Tipp: Im Figurenverzeichnis der Kapitälchen von PostScript® 1-Fonts befinden sich meist auch Mediävalziffern. |
| ↑4 | Tipp: Bei umfangreichen Schriftsatzarbeiten mit OpenType-Fonts sollte darauf geachtet werden, einen originalen Kapitälchenschnitt (Einzelschnitt) zu verwenden. |
| ↑5 | Tipp: Kapitälchen in einem Glyphenverzeichnis, die erst mit der Maus angeklickt werden müssen, weichen oft in ihrer Typometrie von originalen Kaptitälchenschriftschnitten ab. |
| ↑6 | Anmerkung: Die Minuskelligatur »ß« wird im Kapitälchenschriftsatz in »ss« transponiert. Eine gemischte Schreibweise, z.B. »MAßSYSTEM«, ist nicht zulässig. |